In diesem Kapitel geht es um ein Thema, das ganz vorne an der Front der Forschung liegt: die Entropie schwarzer Löcher.
Man weiß zwar, wie man in der allgemeinen Relativitätstheorie mit schwarzen Löchern umgeht, aber man weiß heute noch nicht, wie man die Mikrozustände eines schwarzen Loches formulieren muss. Dazu braucht man nämlich eine Quantentheorie der Gravitation, also eine Quantentheorie, die im klassischen Grenzfall die allgemeine Relativitätstheorie umfasst. Es gibt zwar einige Kandidaten für eine solche Theorie (insbesondere die Stringtheorie und die Loop-Quantengravitation), aber man ist hier noch weit von einer gesicherten Theorie entfernt.
Wenn man die Mikrozustände des schwarzen Loches nicht kennt, so kann man eigentlich auch seine Entropie nicht aus einer fundamentalen mikroskopischen Theorie heraus berechnen, denn dazu muss man die Anzahl der Mikrozustände (genauer den Logarithmus dieser Anzahl) angeben können. Deshalb ist jede Aussage, die man heute über die Entropie schwarzer Löcher macht, streng genommen mit Vorbehalt zu sehen.
Andererseits vermutet man heute sehr stark, dass schwarze Löcher thermisch mit ihrer Umgebung wechselwirken können. Es sieht ganz so aus, als on sie eine (zumeist winzige) Temperatur besitzen!
Daraus kann man die Entropie schwarzer Löcher mit ziemlicher Sicherheit ableiten. Die entsprechende Entropieformel ist dabei eine der wenigen (vielleicht die einzige) heute weitgehend akzeptierte Formel, die die Naturkonstanten der allgemeinen Relativitätstheorie, der Quantentheorie und der Thermodynamik zugleich enthält und damit diese Gebiete zusammenführt.
Damit liefert die Entropie schwarzer Löcher einen zentralen Prüfstein für alle Versuche, eine Quantentheorie der Gravitation zu formulieren. Kann beispielsweise die Stringtheorie diese Entropieformel reproduzieren?
Wir haben hier ein schönes Beispiel dafür, wie Naturwissenschaft funktioniert: Man hat Indizien, man hat Vermutungen, man überprüft diese Vermutungen und sucht nach neuen Informationen, und man versucht, alles zu einem konsistenten Bild zusammenzusetzen. Wenn sich dabei eine Vermutung umso besser bewährt, je genauer man hinschaut, dann ist man auf dem richtigen Weg. Wir werden in diesem Kapitel sehen, dass man schon erstaunlich weit gekommen ist. Den endgültigen Durchbruch zu einer Quantentheorie der Gravitation müssen wir allerdings noch der Zukunft überlassen.
Übrigens: Vor gut 100 Jahren gab es in der Physik eine ähnliche Situation. Auch dort betrachtete man die Thermodynamik eines Systems – damals allerdings kein schwarzes Loch, sondern die elektromagnetische Wärmestrahlung, wie sie beispielsweise in einem Hohlraum auftritt, dessen Wände eine bestimmte Temperatur aufweisen. Die Eigenschaften dieser Wärmestrahlung konnte man erst verstehen, nachdem man die mikroskopischen Freiheitsgrade ausreichend genau erfasst hatte. Entscheidend war dabei, dass ein solcher Freiheitsgrad (ein Photon) eine Energie besitzen muss, die proportional zur Frequenz der Wärmestrahlung ist. Nur so ließ sich das berühmte Plancksche Strahlungsgesetz herleiten, das die Energieverteilung auf die verschiedenen Frequenzen beschreibt. Die Thermodynamik eines Systems verrät also Einiges über dessen mikroskopisches Innenleben. Vielleicht ist das ja auch bei schwarzen Löchern so?!
In der heute allgemein akzeptierten Gravitationstheorie von Albert Einstein (allgemeine Relativitätstheorie) existiert die Möglichkeit, dass sich Materie aufgrund ihrer eigenen Gravitationskraft bis auf einen Punkt (oder bei Rotation einen kleinen Ring) zusammenzieht. Es entsteht dort eine sogenannte Singularität in der Raumzeit mit unendlicher Massendichte.
Die bekannten Gesetze der Physik brechen an dieser Singularität zusammen und auch die allgemeine Relativitätstheorie selbst verliert in der Singularität ihre Gültigkeit, da dort Quanteneffekte wichtig werden und man eine Quantentheorie der Gravitation braucht (die allgemeine Relativitätstheorie ist keine Quantentheorie). Eine solche gesicherte Quanten-Gravitationstheorie gibt es bis heute nicht, aber man vermutet, dass Quanteneffekte das Entstehen der eigentlichen Singularität letztlich verhindern.
Schwarze Löcher sind in der allgemeinen Relativitätstheorie vollständig durch drei Zahlen gekennzeichnet: Ihre Masse \(M\), ihren Drehimpuls \(J\) und ihre elektrische Ladung \(Q\). Mehr Informationen gibt es klassisch über ein schwarzes Loch nicht – man sagt auch, ein schwarzes Loch hat keine Haare.
Der einfachste Fall sind die nichtrotierenden ungeladenen schwarzen Löcher (also \(J\) und \(Q\) gleich Null).
Diese schwarzen Löcher besitzen einen Ereignishorizont, der das schwarze Loch kugelförmig umgibt und der die zentrale punktförmige Singularität für die Außenwelt unsichtbar macht. Die Radiuskoordinate des Ereignishorizontes nennt man Schwarzschildradius \[ r_{s} \] Man kann ihn sich grob als eine Art Abstand zwischen dem zentralen Massenpunkt und dem Ereignishorizont vorstellen und ihn mit der folgenden einfachen Formel leicht ausrechnen:
Schwarzschild-Radius: \[ r_{s} = \frac{2 \, G \, M}{c^{2}} \] |
Dabei ist \(G\) die Gravitationskonstante, \(M\) die Masse des schwarzen Lochs und \(c\) die
Lichtgeschwindigkeit.
Bei einer Sonnenmasse ergibt sich ein Schwarzschild-Radius von nur 3 km, bei einer Erdmasse sogar nur knapp 1 cm, bei einer Milliarde Sonnenmassen dagegen schon ein Schwarzschild-Radius vom 20-fachen des Abstandes Erde-Sonne.
Zufälligerweise ergibt sich die obige Formel bereits aus dem nichtrelativistischen Gravitationsgesetz nach Newton, wenn man für die Fluchtgeschwindigkeit eines Körpers die Lichtgeschwindigkeit einsetzt:
Um das Gravitationsfeld zu verlassen, muss die kinetische Energie \(m v^{2}/2 \) eines kleinen Objektes der Masse \(m\), das sich im Abstand \(r_{s}\) einer großen Punktmasse \(M\) befindet, mindestens so groß sein wie dessen potentielle Energie \( G m M / r_{s} \) (das ist die Energie, die \(m\) braucht, um gerade so der Gravitation von \(M\) entkommen zu können): \[ \frac{m}{2} v^{2} = G \, \frac{m \, M}{r_s} \] Der Abstand \(r_{s}\), bei dem die notwendige Fluchtgeschwindigkeit \(v\) gleich der Lichtgeschwindigkeit \(c\) wird, ist also gegeben durch die Bedingung \[ \frac{m}{2} c^{2} = G \, \frac{m \, M}{r_s} \] Freigestellt nach \(r_{s}\) ergibt das die obige Formel.
Jede Form von Materie oder Energie, die den Ereignishorizont eines schwarzen Lochs nach innen überschreitet, kann diesem prinzipiell nicht mehr entkommen und wird von ihm verschluckt. Das gilt auch für Licht. Lediglich die Gravitation dieser Materie bleibt von außen spürbar. Man kann sich grob vorstellen, dass der Raum selbst wie eine Flüssigkeit in das schwarze Loch hineingesogen wird und dass die Geschwindigkeit dieser Raumflüssigkeit am Ereignishorizont die Lichtgeschwindigkeit überschreitet, so dass auch Licht sich dem Sog nicht mehr entziehen kann.
Bei rotierenden schwarzen Löchern (ohne elektrische Ladung)
ist die Situation etwas komplizierter.
Das betrifft einerseits die Singularität, die nicht mehr punktförmig, sondern ringförmig ist.
Darüber hinaus wird die Raumzeit nicht nur gekrümmt, sondern auch in der Drehrichtung des Schwarzen Lochs mitgerissen. Daher gibt es weiter außen einen sogenannten Killing-Horizont (auch statische Grenze (static limit) genannt), der die Form eines abgeplatteten Rotationsellipsoids hat.
Darunter kommt ein äußerer Ereignishorizont, der dem Ereignishorizont bei nichtrotierenden schwarzen Löchern entspricht (der allerdings kleiner wird, je schneller das Loch rotiert, siehe weiter unten).
Es gibt darunter sogar noch einen von außen unsichtbaren inneren Ereignishorizont (Cauchy-Horizont).
Den Raum zwischen dem äußeren Ereignishorizont und dem elliptischen Killing-Horizont nennt man Ergosphäre (im Bild unten orange dargestellt). Ein Objekt (inclusive Licht) in diesem Bereich stürzt nicht zwangsläufig in das schwarze Loch, aber es rotiert unvermeidlich mit dem schwarzen Loch mit. Innerhalb des Killing-Horizontes gibt es also keine ruhenden Objekte mehr.
Am äußeren Ereignishorizont dreht sich schließlich alles mit der Winkelgeschwindigkeit des Loches (bei einem nichtrotierenden schwarzen Loch bedeutet das, dass am Ereignishorizont überhaupt keine Drehbewegung um das schwarze Loch mehr möglich ist).
Wenn ein Objekt diesen äußeren Ereignishorizont dann nach innen überschreitet, so kann es ihn nie mehr nach außen verlassen, analog zum Ereignishorizont des nichtrotierenden schwarzen Lochs. Allerdings stürzt es nicht unbedingt bis in die ringförmige Singularität hinein. Die Singularität wirkt in ihrer unmittelbaren Umgebung sogar abstoßend, solange man sich ihr nicht von der Äquatorebene her nähert (siehe Inside a black hole ).
Überhaupt geschehen unterhalb des Ereignishorizontes merkwürdige Dinge – Zeitschleifen und Ähnliches. Gut, dass man davon außen nichts mitbekommt. Allerdings sind all diese merkwürdigen Geschehnisse um den inneren Ereignishorizont und die Ringsingularität herum doch sehr theoretisch, weil es hier sowieso mathematische Stabilitätsprobleme mit dieser Raumzeit-Lösung gibt. Wir beschränken uns daher im Wesentlichen auf den äußeren (eigentlichen) Ereignishorizont und die darum liegende Ergosphäre. Weitere Details folgen weiter unten.
Stellt man sich den Raum wieder grob als Flüssigkeit vor, so rotiert hier der Raum mit dem schwarzen Loch mit, wobei die Rotationsgeschwindigkeit am Killing-Horizont (static limit) nach innen hin die Lichtgeschwindigkeit überschreitet. Auch Licht muss ab hier mitrotieren. Gleichzeitig wird die Flüssigkeit wie bei einem Strudel in das schwarze Loch hineingesogen, wobei die Radialgeschwindigkeit am äußeren Horizont die Lichtgeschwindigkeit überschreitet – wie bei einem nichtrotierenden schwarzen Loch. Ab hier kann nichts mehr dem schwarzen Loch entkommen. Man sollte dieses Flüssigkeitsbild allerdings nicht zu wörtlich nehmen, denn es kann nicht alle Effekte erklären (beispielsweise das Einfrieren der Zeit am Horizont aus Sicht eines äußeren Beobachters – siehe unten).
Wie oben gesagt sind im Prinzip noch elektrisch geladene schwarze Löcher denkbar.
Auch sie weisen einen äußeren und einen inneren Ereignishorizont auf, analog zu rotierenden
schwarzen Löchern.
Geladene schwarze Löcher werden jedoch in der Realität vermutlich
kaum auftreten, so dass wir sie hier nicht betrachten.
Was geschieht, wenn ein Objekt in ein nichtrotierendes schwarzes Loch fällt? Es wird für einen äußeren Beobachter immer stärker auf das schwarze Loch hin beschleunigt, wobei die enorme Gravitation vorne am Objekt stärker zieht als hinten, da sich das vordere Ende näher am schwarzen Loch befindet. Diese Gezeitenkräfte zerreißen schließlich jedes beliebige Objekt, wobei dieses Zerreißen bei sehr großen schwarzen Löchern erst innerhalb des Ereignishorizontes geschieht, da dieser dort weit hinausreicht.
Aus der Sicht eines äußeren Beobachters überschreitet
ein fallendes Objekt übrigens niemals sichtbar den
Ereignishorizont. Kurz zuvor friert nämlich die Eigenzeit des fallenden Objektes zunehmend ein, d.h.
auch sein ausgesendetes Licht wird sehr schnell immer langwelliger und damit
energieärmer und röter. Das Objekt verblasst gleichsam und verabschiedet
sich endgültig aus unserer Welt.
Lediglich seine Masse, seine Ladung und sein Drehimpuls werden weiter insofern sichtbar sein, dass sie zur Masse, Ladung und Drehimpuls des schwarzen Lochs beitragen. Alle anderen Eigenschaften der Materie werden dagegen unsichtbar und gehen für die Außenwelt verloren – zumindest laut Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie.
Man weiß beispielsweise später nicht mehr, ob Atome oder Licht in das schwarze Loch hineingefallen sind. Es geht also anscheinend Information verloren, zumindest für die Außenwelt. Wir hatten es bereits erwähnt: Ein schwarzes Loch hat keine Haare. Klassisch gibt ein schwarzes Loch außer seiner Masse, seinem Drehimpuls und (im Prinzip) seiner elektrischen Ladung keine weiteren Informationen preis. Ob die Information über die Materie, aus der sich das schwarze Loch gebildet hat, endgültig verloren ist, werden wir uns am Schluss dieses Kapitels noch einmal genauer ansehen.
Zurück zu unserem fallenden Objekt: Aus der Sicht dieses Objektes geschieht am Ereignishorizont nichts Besonderes, sofern es die Gezeitenkräfte nicht bereits zerrissen haben. Es überschreitet den Ereignishorizont und trifft zwangsläufig auf die zentrale Singularität, wobei die Gezeitenkräfte es zuvor zerreißen werden. Letztlich wird alles zerrissen, was eine endliche Ausdehnung hat, auch subatomare Teilchen wie Protonen und Neutronen. Was dann beim Auftreffen auf die Singularität geschieht, kann nur eine Quanten-Gravitationstheorie klären. Übrigens, wer sich ansehen möchte, was ein Astronaut sieht, der in immer kleineren Abständen über dem Ereignishorizont verweilt, der findet entsprechende wunderschöne Bilder in Ute Kraus: Schritt für Schritt ins Schwarze Loch.
Bei einem rotierenden schwarzen Loch ist die Situation wieder etwas komplizierter, da jedes Objekt nach dem Überqueren des Killing-Horizontes zunächst in eine Rotationsbewegung gezogen wird. Bis auf diese erzwungene Rotation geschieht aber am äußeren Ereignishorizont genau dasselbe wie beim nichtrotierenden schwarzen Loch.
Gibt es schwarze Löcher überhaupt in der Realität? Da ist man sich heute sehr sicher! Man kennt beispielsweise eine große Zahl sehr massereicher dunkler Objekte im Universum, die eigentlich nur schwarze Löcher sein können. So enthält die sehr große elliptische Galaxie M87 in ihrem Zentrum ein gigantisches Objekt von etwa 6 Milliarden Sonnenmassen. Seit dem Jahr 2019 gibt es sogar ein Bild von diesem riesigen schwarzen Loch, das mithilfe der Radiodaten mehrerer Radioteleskope in einem ausgeklügelten Interferenz-Verfahren gewonnen wurde. Es sieht genau so aus, wie man es erwartet hatte:
Die meisten Galaxien enthalten ähnliche sehr massereiche dunkle Objekte in ihrem
Zentrum, auch unsere Milchstraße
(man geht hier von einem schwarzen Loch von etwa 4 Millionen Sonnenmassen aus;
seit dem Jahr 2022 gibt es auch ein Bild dieses schwarzen Lochs vom
Event Horizon Telescopes analog zu M87).
Es gibt neben diesen supermassereichen schwarzen Löchern in den Galaxienzentren noch viele weitere schwarze Löcher, die mit einigen wenigen Sonnenmassen viel kleiner sind und die beim finalen Kollaps massereicher Sterne entstehen. Kurzum: schwarze Löcher sind im Universum offenbar überall zu finden.
Dieser Abschnitt kann übersprungen werden – er ist für Leser gedacht, die sich für die Details interessieren und die sich in der allgemeinen Relativitätstheorie ein wenig auskennen.
Eine genauere Darstellung der speziellen und allgemeinen Relativitätstheorie finden Sie in Die Symmetrie der Naturgesetze, Kapitel 3 und 5. Deshalb hier nur die wichtigsten Highlights in Kürze:
Spezielle Relativitätstheorie:
Das Einsteinsche Äquivalenzprinzip:
Gravitation als Raum-Zeit-Krümmung:
Materie und Energie als Quellen der Gravitation:
|
Das ist also der begriffliche Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie,
der die Physik von Raum und Zeit und der darin wirkenden Gravitation
mit großer Genauigkeit beschreibt, wie es viele Experimente immer wieder bestätigen.
Nur im Rahmen dieser Theorie kann man die Physik schwarzer Löcher beschreiben und verstehen.
Noch eine Anmerkung zur Raumzeit-Krümmung: Oft findet man die Vorstellung, dass es die Krümmung des dreidimensionalen Raumes ist, die die Gravitation beschreibt und beispielsweise zu einer gekrümmten Umlaufbahn führt. Das ist so nicht ganz korrekt: Es ist die Krümmung der Raumzeit, wobei die Zeit eine ganz wesentliche Rolle spielt. Bei schwachen Gravitationsfeldern ist es die Zeitkomponente \(g_{00}\) der metrischen Matrix, deren Abweichung vom Standardwert 1 die Gravitation im Wesentlichen bereits beschreibt. Sie führt dazu, dass Uhren an verschiedenen Stellen im Gravitationsfeld unterschiedlich schnell laufen und dass ein frei fallender Körper eine gekrümmte Bahn verfolgt, weil so die Zeit auf einer mitgeführten Uhr (die Eigenzeit) maximal wird. Mehr dazu siehe Die Symmetrie der Naturgesetze, Kapitel 5.2: Das Einsteinsche Äquivalenzprinzip.
Ein schwarzes Loch ist nun ein Objekt, bei dem seine gesamte Masse sich in einer Raum-Zeit-Singularität zusammengezogen hat – ohne Rotation ist das ein Punkt. Über die Physik an dieser Singularität selber können wir nichts aussagen, wohl aber über die Raum-Zeit außerhalb. Wie beeinflusst die Singularität die umgebende Raumzeit?
Um das herauszufinden, müssen wir die Einsteinschen Feldgleichungen außerhalb der Singularität lösen und passende Raum-Zeit-Krümmungen finden. Dabei nehmen wir an, dass der gesamte Raum außerhalb der Singularität leer ist – der Energie-Impuls-Tensor ist dort überall Null. Wir suchen also Lösungen (Raum-Zeit-Krümmungen) der Einsteinschen Feldgleichungen mit Energie-Impuls-Tensor Null, wobei die zentrale Singularität ausgenommen ist.
Wir wollen die Berechnung der Raum-Zeit-Krümmung und Raum-Zeit-Metrik hier nicht in allen Einzelheiten nachvollziehen, sondern nur die wesentlichen Schritte verfolgen. Wer möchte, kann diese Details überspringen und einfach weiter unten fortfahren.
Also: Die Einsteinschen Feldgleichungen kennen wir aus Kapitel 5.3 . Für Energie-Impuls-Tensor Null (also im Materie- und Energie-freien Raum) lauten sie:
Die Einsteinschen Feldgleichungen für Energie-Impulstensor Null: \[ R_{\mu\nu} - \frac{R}{2} \, g_{\mu\nu} = 0 \] Dabei verwenden wir: Riemannscher Krümmungstensor: \[ R^{\mu}_{\nu\mu\sigma} \] Ricci-Tensor: \[ R_{\nu\sigma} := \sum_{\mu} \, R^{\mu}_{\, \nu\mu\sigma} \] Ricci-Skalar: \[ R := \sum_{\nu\sigma} \, g^{\nu\sigma} \, R_{\nu\sigma} \] |
Diese Gleichung können wir noch etwas vereinfachen, indem wir sie nach \( R_{\mu\nu} \)
freistellen und mit der Metrik kontrahieren, also links den Ricci-Skalar bilden (der auch rechts steht).
Unsere freigestellte Startgleichung lautet also
(Einsteinschen Feldgleichungen für Energie-Impulstensor Null):
\[
R_{\mu\nu} = \frac{R}{2} \, g_{\mu\nu}
\]
Mit der Metrik kontrahieren ergibt:
\[
\sum_{\mu\nu} \, g^{\mu\nu} \, R_{\mu\nu}
= \frac{R}{2} \, \sum_{\mu\nu} \,
g^{\mu\nu} \, g_{\mu\nu}
\]
und somit
\[
R = \frac{R}{2} \cdot 4 = 2 R
\]
so dass wir
\[
R = 0
\]
für den Ricci-Skalar
haben (hätten wir auch direkt aus Die Symmetrie der Naturgesetze, Kapitel 5.3
entnehmen können). Damit vereinfachen sich die Einsteinschen Feldgleichungen
\( R_{\mu\nu} = \frac{R}{2} \, g_{\mu\nu} \)
(hier \(R=0\) einsetzen) für das Vakuum zu
\[ R_{\mu\nu} = 0 \] |
Im Vakuum muss also der Ricci-Tensor Null sein.
Man kann diese Gleichung für die Vakuum-Raumzeit auch anschaulich interpretieren, denn am Ende von Die Symmetrie der Naturgesetze, Kapitel 5.3 finden wir, dass man den Krümmungstensor in zwei Anteile aufteilen kann: den Ricci-Tensor und den Weyl-Tensor.
Der Ricci-Tensor beschreibt, wie sich bei einer kleinen kugelförmingen Staubwolke aus Testteilchen das Volumen dieser Wolke im Gravitationsfeld zeitlich verändert, während der Weyl-Tensor beschreibt, wie sich ihre kugelförmige Form aufgrund der Gravitation zu einem Ellipsoid verzerrt. Im Vakuum ist nun der Ricci-Tensor Null, d.h. das Volumen der kleinen Kugelwolke bleibt konstant, während sich ihre Form aber verzerren darf. Das sind genau die oben angesprochenen Gezeitenkräfte, die nahe am schwarzen Loch schließlich jedes Objekt zerreißen.
Das war noch alles ganz allgemein und hat noch nichts speziell mit schwarzen Löchern zu tun.
Deshalb machen wir noch zwei weitere Einschränkungen:
Die Raumzeit-Metrik soll bei nichtrotierenden schwarzen Löchern
räumlich rotationssymmetrisch um die Singularität sein,
und sehr weit weg von der Singularität soll sich die flache gravitationsfreie Minkowski-Raumzeit
der speziellen Relativitätstheorie ergeben, denn dort sollte man vom schwarzen Loch immer weniger bemerken.
Übrigens gilt diese Forderung nicht nur bei schwarzen Löchern, sondern sie gilt auch für
den leeren Raum um jede rotationssymmetrische nichtrotierende Massenverteilung herum, also
beispielsweise für das Gravitationsfeld der Sonne außerhalb ihrer Oberfläche
(die Rotation ist hier vernachlässigbar).
Für rotierende schwarze Löcher oder den Außenbereich schnell rotierender Sterne (beispielsweise Neutronensterne) muss man die Forderung nach Rotationssymmetrie natürlich geeignet abschwächen und kann nur noch Zylindersymmetrie fordern.
Um in der allgemeinen Relativitätstheorie sauber mit Symmetrien zu arbeitem, muss man sich streng genommen mit Lie-Ableitungen und Killing-Vektorfeldern befassen (Details dazu siehe Gekrümmte Räume, Kapitel 10 ). Wir wollen hier nicht ganz so streng vorgehen, sondern einfach mit geeigneten Koordinaten arbeiten, in denen intuitiv klar ist, was Rotationssymmetrie bedeutet.
Natürlich bietet es sich hier an, räumliche Kugelkoordinaten einzusetzen, also neben der Zeitkoordinate \(t\) eine Radiuskoordinate \(r\) und zwei Winkelkoordinaten \(\theta\) und \(\varphi\) zu verwenden.
Vorsicht: Nur weit weg vom schwarzen Loch ergibt sich annähernd der übliche Zusammenhang zwischen den karthesischen Raumkoordinaten \(x, y, z\) und \(r, \theta, \varphi\). In der Nähe des schwarzen Lochs ist dagegen die Raumzeit stark gekrümmt und wir müssen erst noch genauer untersuchen, wie sich diese Koordinaten interpretieren lassen!
In welchem Sinn sind also \(r, \theta, \varphi\) hier Kugelkoordinaten? Das sieht man am Besten bei der Metrik (siehe Gekrümmte Räume, Kapitel 9). Wie in der Physik üblich, schreiben wir nicht die metrische Matrix selbst hin, sondern das Linienelement \[ ds^{2} = \sum_{\mu\nu} \, g_{\mu\nu} \, dx^{\mu} \, dx^{\nu} \] wobei \( x^{\nu} \) die gewählten Koordinaten sind.
Dieses Linienelement kann man nun für ein infinitesimales Kurvenstück auswerten, indem man eine Kurvenparametrisierung \[ \gamma(\lambda) \] mit reellem Kurvenparameter \( \lambda \) verwendet und \[ dx^{\mu} = \frac{d\gamma^{\mu}(\lambda)}{d\lambda} \, d\lambda \] einsetzt. Dann ist \[ ds^{2} = g(u,u) \, d\lambda^{2} \] mit dem Tangentialvektor \[ u = \frac{d\gamma}{d\lambda} \] und dessen Metrik \(g(u,u)\), die auch oft als \[ g(u,u) = u^{2} = u^{\mu} u_{\mu} \] geschrieben wird.
Man bezeichnet ds als die entsprechende verallgemeinerte Bogenlänge dieses Linienstücks.
In der Relativitätstheorie ist bei zeitartigen Weltlinien (wenn also \( ds^{2} \gt 0 \) oder gleichwertig \( g(u,u) \gt 0 \) gilt; das entspricht Geschwindigkeiten unterhalb der Lichtgeschwindigkeit) die Bogenlänge \(ds\) gerade die verstreichende Eigenzeit \(d\tau\) (mal der Lichtgeschwindigkeit \(c\)) auf einer Uhr , die man auf der entsprechenden Weltlinie ein infinitesimales Stück mitnimmt, also \[ ds = c \, d\tau \] Bei raumartigen Kurven (Überlichtgeschwindigkeit) ist dagegen \( ds^{2} \lt 0 \) und man kann \( \sqrt{- ds^{2}} \) als den räumlichen Abstand zweier infinitesimal benachbarter Ereignisse aus Sicht eines Beobachters ansehen, der diese beiden Ereignisse als gleichzeitig ansieht. Für Lichtstrahlen (lichtartige Weltlinien) gilt \( ds^{2} = 0 \) oder gleichwertig dazu \( g(u,u) = 0 \) sowie \( d\tau = 0\) (Licht altert nicht).
Das Linienelement \( \boldsymbol{ds}^{2} \) (Fettdruck!) des dreidimensionalen Raumes ohne Krümmung lautet (siehe z.B. Wikipedia: Kugelkoordinaten): \[ \boldsymbol{ds}^{2} = dr^{2} + r^{2} \, \left( d\theta^{2} + (\sin {\theta})^{2} \, d\varphi^{2} \right) \] d.h. die Metrik ist diagonal in diesen Koordinaten. Für das Linienelement \( ds^{2} \) der Minkowski-Metrik mit der Zeitkoordinate \(t\) ergibt sich also: \[ ds^{2} = (c \, dt)^{2} - \boldsymbol{ds}^{2} = \] \[ = (c \, dt)^{2} - \left[ dr^{2} + r^{2} \, \left( d\theta^{2} + (\sin {\theta})^{2} \, d\varphi^{2} \right) \right] \] Dieses Linienelement verallgemeinern wir nun für unsere kugelsymmetrische gekrümmte Raumzeit folgendermaßen (siehe z.B. G. 't Hooft: Introduction to General Relativity):
\[ ds^{2} = A(r) \, (c \, dt)^{2} + \] \[ - \left[ B(r) \, dr^{2} + C(r) \, r^{2} \, \left( d\theta^{2} + (\sin {\theta})^{2} \, d\varphi^{2} \right) \right] \] |
mit positiven Funktionen \(A(r), B(r), C(r)\)
(wir werden noch sehen, dass die Forderung nach Positivität
nicht unproblematisch ist, aber wir wollen erst einmal sehen, wie weit wir damit kommen).
Die Winkelabhängigkeit bleibt also unverändert und nur die \(r\)- und \(t\)-Abhängigkeit wird modifiziert. Das präzisiert die Begriffe Kugelsymmetrie und verallgemeinerte Kugelkoordinaten (eine genauere Begründung findet man beispielsweise in Sean M. Carroll: Lecture Notes on General Relativity, arXiv:gr-qc/9712019, Kapitel 7).
Der Faktor \(A(r)\) vor dem Zeitanteil hat dabei die folgenden Bedeutung: Wenn wir die räumlichen Koordinaten \(r, \theta, \varphi\) festhalten (also \(dr, d\theta, d\varphi\) gleich Null setzen – das entspricht einem räumlich statischen Objekt), so ist bei zeitartigen Weltlinien \[ ds^{2} = (c \, d\tau)^{2} = A(r) \, (c \, dt)^{2} \] d.h. \(A(r)\) gibt den Unterschied zwischen unserer Zeitkoordinate \(t\) und der Eigenzeit \(\tau\) an, die auf einer statischen Uhr bei der Radius-Koordinate \(r\) abläuft.
Wie diese Radiuskoordinate \(r\) mit dem Abstand vom Zentrum zusammenhängt, müssen wir uns noch ansehen. In jedem Fall soll ein großes \(r\) mit großem Abstand vom Zentrum einhergehen, d.h. für große \(r\) müssen \(A(r), B(r), C(r)\) gegen Eins gehen, damit sich weit draußen wieder die Minkowski-Metrik in Kugelkoordinaten ergibt.
Damit ist auch klar, wie wir die Koordinaten \(r, \theta, \varphi\) interpretieren müssen: Für einen Beobachter, der sich weit weg vom schwarzen Loch befindet und sich relativ zu diesem nicht bewegt, entsprechen sie den normalen räumlichen Kugelkoordinaten, wobei auf seiner Uhr die Zeit \(t\) abläuft.
Im Prinzip wäre noch eine \(t\)-Abhängigkeit von \(A, B, C\) denkbar. Man kann aber zeigen, dass jede sphärisch-symmetrische Vakuumlösung der Einsteinschen Feldgleichungen statisch ist (Birkhoff-Theorem). Die \(t\)-Abhängigkeit fällt also weg. Allerdings werden wir noch sehen, dass im Inneren des Ereignishorizontes auch eine statische Lösung in gewissem Sinn dynamisch ist, denn sie erlaubt keine statischen physikalischen Objekte mehr.
Anmerkung: Ein rotierendes schwarzes Loch erzeugt kein statisches Gravitationsfeld mehr, sondern nur noch ein stationäres. Offenbar gibt es hier also feine Unterscheidungen – mehr zum Begriff des statischen und stationären Gravitationsfeldes siehe Die Symmetrie der Naturgesetze, Kapitel 5.2.
Man kann den obigen Ansatz noch vereinfachen, indem man eine neue Radiuskoordinate \[ r' := \sqrt{C(r)} \, r \] einführt und \(B\) geeignet redefiniert (weit draußen verändert das den Radius \(r\) praktisch nicht, da dort sowieso \(C(r)\) gegen 1 geht). Auf diese Weise kann man \(C(r)\) loswerden. Wenn man danach die Striche wieder weglässt, ergibt sich in der neuen Radiuskoordinate die Gleichung \[ ds^{2} = A(r) \, (c dt)^{2} + \] \[ - \left[ B(r) \, dr^{2} + r^{2} \, \left( d\theta^{2} + (\sin {\theta})^{2} \, d\varphi^{2} \right) \right] \] In diesen Koordinaten sind nur die Zeitintervalle \(dt\) und die Radiusintervalle \(dr\) von den Faktoren \(A(r), B(r)\) betroffen. Die Metrik weicht also von der Minkowski-Metrik nur in den Koordinaten \(r\) und \(t\) ab. Die Winkelabhängigkeit ist dagegen vollkommen analog zur Minkowski-Metrik.
Betrachtet man zu einem festen Zeitpunkt \(t\) Kugelflächen mit konstantem \(r\) (also \(dt\) und \(dr\) gleich Null), so ist auf diesen Flächen \[ ds^{2} = - r^{2} \, \left( d\theta^{2} + (\sin {\theta})^{2} \, d\varphi^{2} \right) \] Das ist genau das Linienelement auf einer Kugeloberfläche mit Radius \(r\) im euklidischen Raum (das negative Vorzeichen rührt daher, dass das räumliche Linienelement in unserer Konvention negativ in das Minkowski-Linienelement eingeht).
Bei konstantem \(r\) (und \(t\)) haben wir es also mit den gewohnten Kugeloberflächen zu tun, d.h. bezüglich der Winkel \(\theta, \varphi\) haben wir die gewohnte Metrik der Kugeloberfläche vor uns.
Integriert man über die Winkel \(\theta, \varphi\), so ergibt sich für die Kugeloberfläche der übliche Flächenwert \[ 4 \pi r^{2} \] Analog ergibt sich für einen Großkreis auf der Kugel der Umfang \[ 2 \pi r \] Die Größe der Kugeloberfläche und des Kreisumfangs liefert damit eine Interpretation und sogar eine Messvorschrift für die zugehörige \(r\)-Koordinate: Wenn man um das Zentrum einen statischen Kreis mit Umfang \(U\) ziehen kann, dann hat die Koordinate \(r\) den Wert \( U/(2\pi) \) – das funktioniert zumindest außerhalb des Ereignishorizontes, wie wir noch sehen werden.
Doch Vorsicht: Wäre \(r\) einfach der Radius der Kugel oder des Kreises (also der Abstand zum Nullpunkt), so hätten wir damit dieselben Verhältnisse wie im euklidischen Raum. Da die Raumzeit aber gekrümmt ist, wird \(r\) eben hier nicht einfach der Radius der Kugel sein. Hier wirkt sich der Vorfaktor \(B(r)\) aus, der den Term \(dr\) in der Metrik verändert.
Die obige Metrik kann man nun verwenden, um den Ricci-Tensor \( R_{\mu\nu} \) auszurechnen und die Gleichung \( R_{\mu\nu} = 0 \) auszuwerten. Dabei treten Ableitungen der Metrik auf, um die Christoffelsymbole zu berechnen. Die recht lange Rechnung findet man beispielsweise in G. 't Hooft: Introduction to General Relativity in Kapitel 11: The Schwarzschild Solution. Es ergeben sich Differentialgleichungen für die Funktionen \(A(r), B(r)\), die man explizit lösen kann. Die Lösungen lauten: \[ A(r) = \frac{1}{B(r)} = \] \[ = 1 - \frac{2GM}{rc^{2}} = \] \[ = 1 - \frac{r_{s}}{r} \] mit dem Schwarzschild-Radius \[ r_{s} = \frac{2GM}{c^{2}} \] Dabei hat man die Integrationskonstante so gewählt, dass sich im nichtrelativistischen Grenzfall das Newtonsche Gravitationspotential ergibt – das ist der Ursprung für das Auftreten von \(G\) und \(M\) in der Formel. Im nichtrelativistischen Grenzfall hat \(r\) demnach auch wirklich die Bedeutung eines Radius im Sinne von Abstand zum Zentrum.
Unsere allgemeine kugelsymmetrische Vakuummetrik für \(r \gt 0\) in verallgemeinerten Kugelkoordinaten lautet also:
kugelsymmetrische Vakuummetrik in verallgemeinerten Kugelkoordinaten (Schwarzschild-Lösung): \[ ds^{2} = A(r) \, (c dt)^{2} - \left[ \frac{dr^{2}}{A(r)} + r^{2} \, d\Omega^{2} \right] \] mit \[ r \gt 0 \] \[ A(r) = 1 - \frac{r_{s}}{r} \] dem Schwarzschild-Radius \[ r_{s} = \frac{2GM}{c^{2}} \] und dem Winkelanteil \[ d\Omega^{2} = d\theta^{2} + (\sin {\theta})^{2} \, d\varphi^{2} \] |
Wie gefordert geht für große \(r\) die Funktion \(A(r)\) gegen Eins
und es ergibt sich die Minkowskimetrik in Kugelkoordinaten.
Weit weg vom schwarzen Loch haben daher die obigen Koordinaten
die übliche Bedeutung, d.h. \(dt\) ist ein Zeitintervall und \(dr\)
ein Radiusintervall für einen stationären Beobachter
(die Winkel haben sowieso überall die gewohnte Bedeutung, wie wir weiter oben bereits gesehen haben).
Näher am Schwarzschildradius weicht dagegen \(A(r)\) immer deutlicher von 1 ab. Schauen wir uns die Lösung dort genauer an:
außerhalb des Ereignishorizontes:
Für \[ r \gt r_{s} \] (also außerhalb des Ereignishorizontes) ist \(A(r)\) positiv und kleiner als Eins. Für ein räumlich stationäres Objekt (also \(dr = 0\) und \(d\Omega = 0\)) bedeutet das, dass \[ ds^{2} = (c \, d\tau)^{2} = A(r) \, (c \, dt)^{2} \] und somit \[ d\tau = \sqrt{A(r)} \, dt \] gilt. Da \(A(r)\) kleiner als Eins ist, entspricht einem bestimmten Intervall \(dt\) ein kleineres Eigenzeit-Intervall \(d\tau\), wobei \(d\tau\) umso kleiner wird, je mehr sich \(r\) an den Schwarzschildradius \(r_{s}\) annähert. Weit weg von schwarzen Loch beobachtet man also:
Je näher sich eine Uhr stationär am schwarzen Loch befindet, umso langsamer läuft sie. Am Schwarzschildradius bleibt sie schließlich sogar stehen. Das ist genau das Einfrieren der Zeit am Ereignishorizont aus Sicht eines äußeren Beobachters, das wir oben beschrieben haben.
Umgekehrt verhält es sich mit dem Radius: Vergleichen wir die Schwarzschild-Metrik mit der Metrik des flachen Minkowski-Raumes, so sehen wir, dass der Term \[ \frac{dr^{2}}{A(r)} \] dem Radiusterm \( dR^{2} \) entspricht (hier mit großem \(R\) geschrieben – hat nichts mit dem Krümmungstensor weiter oben zu tun!). Es ist also \[ \frac{dr}{\sqrt{A(r)}} = dR \] der infinitesimale räumliche Radius-Abstand, der dem Koordinatenintervall \(dr\) entspricht und den ein vor Ort ruhender Beobachter (also \(r , \theta, ,\varphi\) konstant) messen würde (Details zum Begriff des räumlichen Abstandes und wie man ihn mit einem Lichtblitz misst siehe Die Symmetrie der Naturgesetze, Kapitel 5.2: Das Einsteinsche Äquivalenzprinzip ).
Einem bestimmten infinitesimalen Radius-Abstand \(dR\) entspricht also ein kleineres Koordinatenintervall \(dr\), wobei \(dr\) immer kleiner wird, je näher man dem Schwarzschild-Radius kommt. Hangelt man sich stationär in kleinen \(dr\)-Schritten in Richtung Schwarzschild-Radius, so legt man dabei immer größere Radius-Abstände \(dR\) zurück. Im folgenden Trichterbild sehen wir aber, dass man dennoch den Schwarzschildradius nach endlichem Abstand \(R\) von außen erreicht – er liegt in endlicher Entfernung:
Man bezeichnet den oben dargestellten Trichter auch als
Flamm'sches Paraboloid.
In Zylinderkoordinaten \(r, \varphi, z\) besitzt diese Fläche im 3D-Einbettungsraum die Gleichung
\[
z = 2 \cdot \sqrt{ r_{s} \, (r - r_{s}) }
\]
d.h.
es handelt sich um eine um 90 Grad gekippte Parabel, die man im Abstand \(r_{s}\)
um die z-Achse rotieren lässt, wobei man nur positive \(z\) betrachtet (also die obere Hälfte).
Wieder sind \(r\) und \(\varphi\) die in der Schwarzschild-Metrik verwendeten Koordinaten,
während die senkrechte Koordinate \(z\) nur eine Hilfsvariable für die Einbettung ist.
Ein radiales Linienelement \(dR\) auf der Trichterfläche ist dann durch \[ dR^{2} = dr^{2} + dz^{2} \] gegeben. Nun folgt aus \(z = 2 \cdot \sqrt{ r_{s} \, (r - r_{s}) }\) die Beziehung \[ dz = dr \cdot 2 \cdot \frac{1}{2} \, \frac{r_{s}}{\sqrt{r_{s} \, (r - r_{s}) }} = \] \[ = dr \, \frac{r_{s}}{\sqrt{r_{s} \, (r - r_{s}) }} \] ist und somit \[ dR^{2} = dr^{2} + dz^{2} = \] \[ = dr^{2} + dr^{2} \, \frac{r_{s}^{2}}{r_{s} \, (r - r_{s})} = \] \[ = dr^{2} \, \left( 1 + \, \frac{r_{s}}{r - r_{s}} \right) = \] \[ = dr^{2} \, \frac{r - r_{s} + r_{s}}{r - r_{s}} = \] \[ = dr^{2} \, \frac{r}{r - r_{s}} = \] \[ = \frac{dr^{2}}{A(r)} \] Wir haben also für das radiale Linienelement \(dR\) auf der Trichterfläche die Beziehung \[ dR = \frac{dr}{\sqrt{A(r)}} \] und können demnach \(dR\) als radiales statisches Abstandsintervall der Schwarzschild-Metrik im Außenbereich interpretieren. Die obige Trichterfläche gibt also die räumlichen metrischen Verhältnisse außerhalb des Schwarzschildradius bei konstantem \(t\) und \(\theta\) für einen statischen Beobachter korrekt wieder.
Obwohl \(dR\) für festes \(dr\) immer größer wird, je mehr man sich dem Schwarzschild-Radius nähert, so erreicht man diesen dennoch von außen bei endlichem Radialabstand \(R\) (in dem obigen Bild also bei \(z = 0\)). Der Trichter ist also nach unten nicht unendlich lang!
am Ereignishorizont:
Für \[ r = r_{s} \] (also beim Schwarzschild-Radius) wird \[ A(r_s) = 1 - \frac{r_{s}}{r_s} = 0 \] d.h. der Term \[ dR^{2} = \frac{dr^{2}}{A(r)} \] wird unendlich und die Metrik verliert scheinbar ihren Sinn – zumindest wenn man \(t\) als Zeit interpretiert und versucht, alleine die räumliche Metrik für einen statischen Beobachter bei fester Zeit \(t\) zu betrachten. In dem obigen Trichterbild wird der Trichter hier unendlich steil und die Eigenzeit einer statischen Uhr am Schwarzschildradius friert ein.
innerhalb des Ereignishorizonts:
Für \[ r \lt r_{s} \] (also hinter dem Ereignishorizont) wird \[ A(r) = 1 - \frac{r_{s}}{r} \] sogar negativ, im Gegensatz zu unserer Voraussetzung.
Das bedeutet, dass eine Weltlinie mit konstantem \(r, \theta, \varphi\) (also \(dr\) und \(d\Omega\) gleich Null) nicht mehr zeitartig ist und demnach nicht mehr den Werdegang eines physikalischen Objektes beschreiben kann.
Ein räumlich statisches Objekt ist nicht mehr möglich, und man kann nachweisen, dass jedes Objekt in endlicher Eigenzeit in die zentrale Singularität stürzt (siehe unten). Die Koordinate \(t\) verliert hier den Charakter einer Zeitkoordinate und die Bedeutung der Koordinaten muss neu überdacht werden.
Weiter unten (im Kruskal-Diagramm) werden wir sehen, dass die Koordinate \(t\) überhaupt nicht bis hinter den Ereignishorizont reicht. Entsprechend gelangt für einen äußeren Beobachter ein fallendes Objekt auch erst nach unendlich langer Zeit \(t\) an den Ereignishorizont.
Die Radius-Koordinate \(r\) reicht dagegen sehr wohl hinter den Ereignishorizont, d.h. es gibt keine Probleme mit \( r \lt r_{s} \).
Allerdings erhält \(r\) nun den Charakter einer umgekehrten Zeitkoordinate, d.h. für ein physikalisches Objekt hinter dem Ereignishorizont schrumpft \(r\) zwangsläufig bis auf Null. Seine Zukunft liegt unausweichlich in der Singularität.
Man kann dies im obigen Trichterbild dadurch darstellen, dass man an der Trichteröffnung beim Schwarzschildradius unten noch ein relativ beliebig geformtes Hütchen aufsetzt, dessen Punkte alle Richtung Singularität laufen. Ein animiertes Bild findet man dazu im Internet unter Andrew Hamilton: More about the Schwarzschild Geometry.
Das Gesamtbild:
Analysiert man die Situation genauer, so stellt man fest, dass die scheinbare Divergenz des obigen Linienelementes am Schwarzschild-Radius eine Eigenschaft der gewählten Koordinaten und keine Eigenschaft der Raum-Zeit-Metrik selbst ist. Speziell die Koordinate \(t\) eignet sich nur außerhalb des Ereignishorizontes als Zeitkoordinate.
Hauptursache für die Probleme ist, dass \(t\) und \(r\) statische Koordinaten sind, die zu einem äußeren Beobachter gehören, der weit weg vom schwarzen Loch ruht und dessen Welt am Ereignishorizont endet.
Die Koordinaten \(t\) und \(r\) sind der Versuch, ein statisches Koordinatensystem zu etablieren, bei dem man die räumlichen Koordinaten \(r, \theta, \varphi\) eines Objektes festhalten kann, während die Zeit \(t\) fortschreitet.
Innerhalb des Ereignishorizontes wird aber \(A(r)\) und bei konstantem \(r\) damit auch \(ds^{2}\) negativ, d.h. ein konstantes \(r\) gehört nicht mehr zu einer physikalisch möglichen Weltlinie eines Objektes (für das \(ds^{2} \gt 0\) sein muss, damit die Weltlinie zeitartig bleibt).
Innerhalb des Ereignishorizontes gibt es kein statisches Koordinatensystem mehr – jedes Objekt stürzt in endlicher Eigenzeit in die Singularität, wie wir unten noch sehen werden. Eine Weltlinie mit konstantem \(r\) gibt es dort nicht – man kann die Koordinaten \(t\) und \(r\) also hinter dem Ereignishorizont nicht durch ein physikalisches Objekt realisieren.
Es gibt aber andere Koordinaten, die keine Divergenzen am Schwarzschild-Radius aufweisen. Die zentrale Singularität bei \( r = 0 \) bleibt allerdings immer bestehen, denn sie ist eine Eigenschaft der Raumzeit des schwarzen Lochs.
Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten für andere Koordinaten. Eine einfache Möglichkeit sind nicht-statische Frei-Fall-Koordinaten. Man orientiert sich dabei ein einem frei fallenden Objekt, das sehr weit weg vom schwarzen Loch zu fallen beginnt und dessen radiale Fallgeschwindigkeit \[ \frac{dr}{dT} \] sich wie die Fallgeschwindigkeit im klassischen Newtonschen Gravitationsfeld verändert.
Die Zeitkoordinate \(T\), die man dabei verwendet, ist die Eigenzeit des fallenden Objektes, also die Zeit auf einer mitgeführten Uhr. Am Schwarzschildradius übersteigt \( dr/dT \) die Lichtgeschwindigkeit. Man kann sich vorstellen, dass die radialen Referenz-Koordinatenpunkte mit der Geschwindigkeit \(dr/dT\) ins Zentrum fallen und dass alle Objekte mit diesem kontrahierenden Raum mitgezogen werden, wobei sie sich maximal mit Lichtgeschwindigkeit in dieser fließenden Raum-Flüssigkeit bewegen können.
Innerhalb des Ereignishorizontes fließt der Raum dann so schnell in Richtung Zentrum, dass selbst Licht nicht mehr dagegen anschwimmen kann. Mehr dazu mit schönen grafischen Darstellungen im Internet unter Andrew Hamilton: More about the Schwarzschild Geometry.
Zur obigen Grafik:
Das obere (bzw. linke) Bild zeigt sehr schön, wie die Lichtstrahlen (Pfeile) in Schwarzschild-Koordinaten immer weniger in radialer Richtung voran kommen, je näher sie sich am Schwarzschild-Radius befinden. Die Zeit friert von außen gesehen am Schwarzschild-Radius ein, sodass auch Licht aus Sicht des entfernten Beobachters dort langsamer wird. Innerhalb des Schwarzschild-Radius' verliert \(t\) die Bedeutung einer Zeit, während \(r\) eine zeitliche Bedeutung bekommt. Entsprechend laufen jetzt die Lichtstrahlen in (schrumpfende) \(r\)-Richtung und nicht mehr unbedingt in \(t\)-Richtung.
Im unteren (bzw. rechten) Bild sehen wir, wie in Freifall-Koordinaten die nach außen laufenden Lichtstrahlen (rot-orange-farbene Pfeile) immer mehr in Richtung Zentrum (r=0) kippen, je näher man dem Schwarzschild-Radius kommt. Überschreitet man diesen nach innen, so laufen auch sie auf das Zentrum zu und können dem Schwarzen Loch nicht mehr entkommen. Die blauen Linien konstanter Schwarzschild-Zeit \(t\) kippen zum Schwarzschild-Radius hin immer mehr in die Senkrechte und der Schwarzschild-Radius selbst entspricht einer solchen Linie konstanter Schwarzschild-Zeit \(t\). Das zeigt wieder das Einfrieren der äußeren Zeit am Schwarzschild-Radius für einen äußeren statischen Beobachter. Die Freifallzeit \(T\) friert dagegen hier nicht ein, d.h. ein fallender Beobachter kann den Schwarzschild-Radius sehr wohl nach innen hin überschreiten, auch wenn das für einen feststehenden Beobachter weiter draußen nicht sichtbar ist.
Es gibt keinerlei Singularität der Raumzeit am Schwarzschild-Radius. Mehr dazu siehe auch im Internet Andrew Hamilton: More about the Schwarzschild Geometry.
Man kann die Frei-Fall-Koordinaten noch etwas abwandeln, so dass radial nach innen einfallende
Lichtstrahlen in dem rechten (unteren) Bild
(gelbe nach links laufende Pfeile) nicht mehr gebogen sind, sondern als Geraden diagonal nach links oben laufen.
Diese Koordinaten nennt man Eddington-Finkelstein-Koordinaten.
Sehr beliebt sind auch die Kruskal-Szekeres-Koordinaten (oder kurz Kruskal-Koordinaten) \(v, u\), die gut die kausale Struktur der Raumzeit darstellen und die \(t, r\) ersetzen, wobei \(v\) die zeitartige Koordinate und \(u\) die raumartige Koordinate ist. In Kruskal-Koordinaten verlaufen radial einfallende Lichtstrahlen ebenfalls diagonal nach links oben, aber zusätzlich laufen radial auslaufende Lichtstrahlen diagonal nach rechts oben. Daher kann man an jedem Punkt die kausale Lichtkegelstruktur sofort erkennen.
Die Kruskal-Koordinaten \(v, u\) (sowie weiterhin die unveränderten Winkelkoordinaten \(\theta, \varphi\)) sind gut dazu geeignet, sich einen Überblick über die komplette maximal-mögliche rotationssymmetrische Raumzeit zu verschaffen, bei der nur die zentrale Singularität ausgeklammert ist. Dabei stellt man fest, dass zu dieser kompletten Raumzeit auch ein zeitgespiegeltes schwarzes Loch gehört – gleichsam ein weißes Loch. Manchmal findet man auch die Vorstellung eines Wurmloches zwischen zwei Universen. Man muss hier aber vorsichtig bei übereilten Schlussfolgerungen sein – eine detaillierte Diskussion findet man in Sean M. Carroll: Lecture Notes on General Relativity, arXiv:gr-qc/9712019, Kapitel 7.
Ein radialer Lichtstrahl bewegt sich in Kruskal-Koordinaten immer diagonal nach links oder rechts oben,
d.h. man könnte überall in der Grafik kleine Lichtkegel einzeichnen,
die sich nach oben öffnen und deren Lichtstrahlen
diagonal nach oben laufen.
Ein Objekt mit Masse bewegt sich innerhalb des Lichtkegels
nach oben, d.h. \(v\) wächst auf seiner Weltlinie immer schneller als \(u\).
Physikalische Objekte bewegen sich im obigen Bild auf ihrer Weltlinie also
immer mehr nach oben als nach links oder rechts.
Diese Kruskal-Koordinaten ersetzen die alten Schwarzschild-Koordinaten \(t, r\). Wenn man Linien konstanter Schwarzschild-Koordinaten \(t\) oder \(r\) im obigen Bild einzeichnet, sieht man folgendes:
Linien mit konstantem \(r\) entsprechen Hyperbel-Paaren, die bei großem \(r\) weit links und rechts anfangen, sich bei sinkendem \(r\) immer weiter den Diagonalen nähern und am Schwarzschildradius \(r_{s}\) gerade gleich den Diagonalen sind, um dann bei weiter fallendem \(r\) in ein Hyperbelpaar oben und unten überzugehen, das bei \(r = 0\) schließlich den Rand der grauen Flächen bildet. Die Quadranten links und rechts entsprechen also dem Bereich außerhalb des Ereignishorizontes, die Quadranten oben und unten dem Bereich innerhalb. Eine sehr schöne Animation dazu gibt es übrigens unter Wikimedia Commons: File:KruskalKoords.gif.
Linien mit konstanter Schwarzschild-Zeit \(t\) entsprechen Geraden durch den Ursprung, wobei die Linie der unendlich fernen Vergangenheit diagonal von links oben nach rechts unten verläuft, um dann bei wachsendem \(t\) gegen den Uhrzeigersinn zu kippen und in der fernen Zukunft in die Diagonale von links von unten nach rechts nach oben links überzugehen (das ergibt dann den Ereignishorizont = Event Horizon). Dabei wird insgesamt nur der rechte und linke Quadrant überstrichen, nicht aber der obere und untere Quadrant. Die Zeitkoordinate \(t\) ist also nur für \( r \gt r_{s} \) definiert, also außerhalb des Ereignishorizontes.
Ein äußerer Beobachter sieht zu keiner Zeit \(t\), dass ein Objekt den Schwarzschildradius \(r_{s}\) überquert, denn das geschieht erst in seiner unendlich fernen Zukunft. Dennoch kann das Objekt natürlich aus eigener Sicht den Schwarzschildradius nach innen überqueren – es bewegt sich dazu einfach im Quadranten rechts immer weiter nach oben und überquert schließlich die Diagonale (den Ereignishorizont) in den Quadranten oben hinein. Da es sich nur nach oben bewegen kann (innerhalb seines Lichtkegels), wird es zwangsläufig an die graue Fläche stoßen und damit die Singularität bei \(r = 0\) erreichen. Es kann niemals wieder den rechten Quadranten erreichen, also den Bereich außerhalb des Ereignishorizontes.
Die Gleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie sind invariant unter Zeitspiegelungen. Das führt zur Existenz des linken und unteren Quadranten, die zeitgespiegelte Versionen des rechten und oberen Quadranten sind. Man kann den unteren Quadranten als den Ereignishorizont-Innenraum eines weißen Lochs interpretieren, das sämtliche Materie von sich gibt und nicht betreten werden kann. Der linke Quadrant ist dann der Außenraum dieses Ereignishorizontes, gleichsam ein weiteres Universum, das aber von Objekten des ersten Universums (rechter Quadrant) nicht betreten werden kann und umgekehrt. Man sollte diese Dinge aber nicht überbewerten: Sie drücken lediglich die Zeitumkehr-Invarianz der Gleichungen aus. Ein kollabierender Stern ergibt jedenfalls immer ein schwarzes Loch, niemals dagegen ein weißes Loch.
Die obige Metrik beschreibt nicht nur die Gravitation nichtrotierender schwarzer Löcher,
sondern ganz allgemein die Gravitation im materiefreien Außenraum jeder kugelsymmetrischen Massenverteilung,
beispielsweise um einen Stern herum, dessen Rotation man vernachlässigen kann (was meist der Fall ist).
Die Sternoberfläche entspricht dabei einem minimalen \(r\), ab dem die Lösung oben gilt.
Die Sternmaterie darf sich dabei sogar radial bewegen, solange die Kugelsymmetrie nicht gestört wird.
Der Stern darf also beispielsweise kugelsymmetrisch in sich zusammenstürzen –
das Gravitationsfeld außen
merkt davon nichts, und es gibt auch keine Gravitationswellen.
Auch das bezeichnet man als Birkhoff-Theorem.
Sollte sich die Sternoberfläche innerhalb des Schwarzschild-Radius befinden, so ist der Sternenkollaps
sogar unvermeidlich – kein Stück Sternmaterie wird den Schwarzschildradius jemals wieder
nach außen überqueren können (zumindest nach den Regeln der allgemeinen Relativitätstheorie).
Bei rotierenden schwarzen Löchern kann man keine Kugelsymmetrie mehr voraussetzen, sondern nur noch Zylindersymmetrie. Die entsprechende Lösung für die Vakuum-Einstein-Gleichung ist die sogenannte Kerr-Metrik. Da die Formeln hier komplizierter werden, möchte ich an dieser Stelle nicht genauer auf sie eingehen. Entscheidend ist, dass innerhalb der Ergosphäre (siehe oben) die Weltlinie eines Objektes keinen konstanten Drehwinkel mehr aufweisen kann – jedes Objekt wird gezwungen, mit dem schwarzen Loch zu rotieren. Der äußere Ereignishorizont entspricht dabei dem Ereignishorizont ohne Rotation: Wer diesen einmal nach innen überschritten hat, kehrt nie wieder zurück.
Nach diesem Exkurs in die allgemeine Relativitätstheorie wollen wir wieder zu unserem Hauptthema zurückkommen: der Entropie schwarzer Löcher. Falls Sie den obigen Abschnitt übersprungen haben, können Sie hier wieder gut einsteigen.
Ein wichtiges Ergebnis von oben brauchen wir jedoch: Die Oberfläche \(A_{r}\) einer Kugelfläche, deren Punkte alle bei der Radiuskoordinate \(r\) um ein schwarzes Loch herum liegen, ist \[ A_{r} = 4 \pi r^{2} \] (dabei muss \(r\) außerhalb des Ereignishorizontes bei \(r_{s}\) sein). Letztlich haben wir die Radiuskoordinate \(r\) gerade so definiert.
Vorsicht:
Nur weiter weg vom Ereignishorizont entspricht ein Radiusintervall \(dr\) dem räumlichen Abstand
\(dR\) der zugehörigen Kugelschalen. Sehr nahe am Ereignishorizont ist dagegen
\(dR\) deutlich größer als \(dr\),
und innerhalb des Ereignishorizontes hat \(dr\) gar keine statische Abstandsbedeutung mehr.
Wir können nun die Oberfläche des Ereignishorizontes \(A\) als Grenzwert der Kugeloberflächen definieren, bei denen sich \(r\) immer mehr dem Schwarzschild-Radius \(r_{s}\) nähert. Auf dem Ereignishorizont selbst können wir die Größe der entsprechenden Kugeloberfläche streng genommen nämlich gar nicht angeben, denn ein Linienelement \(ds\) auf dem Ereignishorizont ist immer lichtartig. Beliebig nahe über dem Ereignishorizont ist ein Linienelement mit konstantem \(r\) dagegen raumartig – daher der Trick mit dem Grenzwert. Es ist also :
Oberfläche des Ereignishorizontes ohne Rotation: \[ A = 4 \pi r_{s}^{2} = 16 \pi r_{g}^{2} = 16 \pi \, \left( \frac {G M}{c^{2}} \right)^{2} \] |
Dabei haben wir den sogenannten Gravitationsradius
\[
r_{g} = \frac {G M}{c^{2}} = \frac{r_{s}}{2}
\]
eingeführt. Er wird gleich in den Formeln für das rotierende schwarze Loch noch sehr nützlich sein.
Oft findet man in der Literatur die Formeln auch in Einheiten, bei denen \(c\) und sogar \(G\) gleich Eins sind.
In diesem Fall steht \(M\) direkt für den Gravitationsradius.
Wie ändert sich die Situation, wenn wir eine Rotation schwarzer Löcher zulassen? Rotierende schwarze Löcher haben wir uns oben nicht im Detail angesehen, da man bei ihnen nur Zylindersymmetrie voraussetzen kann und die entsprechenden Formeln deutlich komplizierter werden. Die Lösung der Einstein-Gleichungen ist hier die sogenannte Kerr-Metrik. Für die Oberfläche der äußeren Ereignishorizont-Fläche eines schwarzen Lochs mit Masse \(M\) und Drehimpuls \(J\) ergibt sich nach einiger Rechnung:
Oberfläche des (äußeren) Ereignishorizontes mit Rotation: \[ A = 4 \pi \, \left( r_{+}^{2} + a^{2} \right) = 4 \pi \, r_{s} \, r_{+} \] mit dem Kerr-Parameter (Rotations- oder Spinparameter) \[ a = \frac{J}{M c} \] und dem äußeren Ereignishorizont \[ r_{+} = r_{g} + \sqrt{r_{g}^{2} - a^{2} } \] sowie dem oben definierten Gravitationsradius \[ r_{g} = \frac{G M}{c^{2}} = \frac{r_{s}}{2} \] |
(der innere Ereignishorizont \( r_{-} \) hat einfach nur ein Minuszeichen vor der Wurzel).
Wie die Wurzel oben zeigt, machen die Formeln für die Ereignishorizonte nur bis zu einer Obergrenze für den Drehimpuls des schwarzen Lochs Sinn. Diese Obergrenze liegt bei \[ a = r_{g} \] und somit \[ \frac{J}{Mc} = \frac{G M}{c^{2}} \] bzw. nach \(J\) freigestellt: \[ J = \frac{G M^{2}}{c} \] Ab dieser Obergrenze verschmelzen äußerer und innerer Ereignishorizont und verschwinden beide, so dass die zentrale Singularität nach außen sichtbar wird und mit dem übrigen Universum wechselwirken kann.
Eine solche nackte Singularität führt zu Problemen, beispielsweise mit der Kausalität. Man geht daher üblicherweise davon aus, dass Werte von \( J \ge G M^{2} / c \) unphysikalisch sind.
Das wird auch von Stabilitätsuntersuchungen unterstützt, die zeigen, dass derartige Raumzeiten bereits durch die Anwesenheit eines Beobachters zerstört werden können. Außerdem kann man zeigen, dass solche Raumzeiten durch den Kollaps von Materie normalerweise nicht entstehen können.
Sie werden also in dieser Form in der Realität wohl nicht auftreten (siehe Inside a black hole). Man spricht auch von der kosmischen Zensur, d.h. man vermutet, dass kollabierende Materie nie eine nackte Singularität erzeugen kann, die nicht durch einen Ereignishorizont vom übrigen Universum abgeschirmt wird.
Für \( J = 0 \) (also \(a = 0\)) wird \( r_{+} = r_{s} \) und die obige Formel geht in den Ausdruck eines nichtrotierenden schwarzen Lochs über. Der äußere Ereignishorizont geht also in den Ereignishorizont des nichtrotierenden schwarzen Lochs über.
Ansonsten ist \[ r_{+} \lt r_{s} \] d.h. der äußere Ereignishorizont ist bei Rotation kleiner.
Der innere Ereignishorizont \[ r_{-} = r_{g} - \sqrt{r_{g}^{2} - a^{2}} \] wird bei verschwindender Rotation sogar Null, d.h. er verschmilzt mit der zentralen Singularität.
Die Oberfläche des äußeren Ereignishorizontes
\[
A = 4 \pi \, r_{s} \, r_{+}
\]
ist bei gegebener Masse proportional zu \(r_{+}\), ändert sich also
genau wie \(r_{+}\) mit zunehmendem Drehimpuls und wird dabei kleiner
(siehe obige Grafik).
Was geschieht mit der Summe der äußeren Ereignishorizont-Oberflächen, wenn zwei schwarze Löcher verschmelzen und wir Energieabstrahlung durch Gravitationswellen zunächst ausschließen, sodass sich die Massen addieren?
Ohne Rotation ist die Sache einfach: Da die Ereignishorizont-Fläche proportional zum Massenquadrat des schwarzen Lochs wächst, und da \[ (M + M')^{2} \ge M^{2} + M'^{2} \] ist (rechts fehlt ja der positive Term \(2MM'\) aus der binomischen Formel), ist auch \[ A(ges) \ge A + A' \] Die Ereignishorizont-Oberfläche nach der Verschmelzung ist also größer als die beiden Ereignishorizont-Oberflächen vor der Verschmelzung zusammengenommen.
Bei Rotation ist die Sache komplizierter, zumal wenn man zusätzlich noch einen Bahndrehimpuls berücksichtigt. Noch komplexer wird die Lage, wenn wir auch die mögliche Abstrahlung von Gravitationswellen berücksichtigen oder das mögliche Einfangen von massiven Objekten. Man kann aber ganz allgemein (unter bestimmten Voraussetzungen) zeigen:
Hawking's Area Theorem: Im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie nimmt die Summe der Ereignishorizonte schwarzer Löcher mit der Zeit niemals ab, unabhängig vom betrachteten Prozess. |
(siehe z.B.
Ted Jacobson:
Introductory Lectures on Black Hole Thermodynamics, Kapitel 1.6 Area theorem).
Das ist ganz analog zur Entropie eines abgeschlossenen Systems in der Thermodynamik. Auch diese nimmt mit der Zeit niemals ab, und sie erreicht im thermischen Gleichgewicht ein Maximum (zweiter Hauptsatz der Thermodynamik).
Das Analogon zum abgeschlossenen System im thermischen Gleichgewicht wäre in der allgemeinen Relativitätstheorie der Endzustand, bei dem sich die gesamte betrachtete Materie zu einem schwarzen Loch vereinigt hat.
So wie man ein System im Gleichgewicht oft alleine durch Energie \(E\), Volumen \(V\) und Teilchenzahl \(N\) charakterisieren kann, wird ein schwarzes Loch vollständig durch seine Masse \(M\), seinen Drehimpuls \(J\) und seine Ladung \(Q\) beschrieben. Ein schwarzes Loch gibt also nur sehr wenige Informationen preis, genau wie ein thermischer Gleichgewichtszustand.
Dem Begriff des abgeschlossenen Systems entspricht dabei eine Raumzeit, die in sehr großer räumlicher Entfernung flach wird, also in die normale Minkowski-Raumzeit der speziellen Relativitätstheorie übergeht. Bei einem solchen System kann man die Gesamtenergie sauber definieren, was bei allgemein gekrümmten Raumzeiten ansonsten sehr problematisch ist (beispielsweise auch bei einem geschlossenen Universum).
Ist diese Analogie zwischen Entropie und Fläche des Ereignishorizontes nur Zufall, oder gibt es weitere Gemeinsamkeiten? Wie sieht es beispielsweise mit dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik aus? Dieser lautet bei konstanter Teilchenzahl (siehe Kapitel 1a: Was ist Entropie? (Teil 1) ):
Erster Hauptsatz im Detail (ohne Teilchenaustausch): Für die Energieänderung \(dE\) bei einem thermodynamischen System gilt bei konstanter Teilchenzahl: \[ dE = \delta Q + \delta W \] Dabei ist \(\delta Q\) die vom System absorbierte Wärmemenge, also die Energieänderung, die nicht auf einer Volumenänderung beruht, und \(\delta W\) ist die am System verrichtete Arbeit, also die Energieänderung, die alleine auf die Volumenänderung zurückzuführen ist. Bei einem System im thermischen Gleichgewicht und einer kleinen quasistatischen Energieänderung \(dE\) gilt zusätzlich: \[ \delta Q = T \, dS \] mit der Entropieänderung \(dS\) bei konstantem \(V\). Dabei ist \[ T = \frac{\partial E}{\partial S} \] (partielle Ableitung bei konstantem \(V\)). Weiterhin ist dann \[ \delta W = - p \, dV \] mit der Volumenänderung \(dV\) bei konstanter Entropie. Das negative Vorzeichen bedeutet, dass die Energie wächst, wenn das Volumen zusammengedrückt wird (\(dV\) also negativ ist). Dabei ist \[ p = - \frac{\partial E}{\partial V} \] (partielle Ableitung bei konstantem \(S\)).
|
Am effizientesten im Sinne der Gewinnung von Arbeit ist ein adiabatischer Prozess – das ist
ein quasistatischer Prozess, bei dem
sich die Entropie \(S\) nicht ändert, also \(dS = 0\) ist. Dann ist nämlich
\[
\delta Q = 0
\]
\[dE = \delta W
\]
d.h. eine Energieabnahme des Systems kann komplett
in mechanische Arbeit umgewandelt werden.
Schauen wir uns zum Vergleich ein nichtrotierendes schwarzes Loch mit Masse \(M\) an, in das ein kleiner Körper mit einer kleinen Masse \(dm\) senkrecht hineinfällt – wir schreiben \(dm\), um anzudeuten, dass \(dm\) sehr viel kleiner als \(M\) ist. Die Raumzeitmetrik wird also durch den hineinfallenden Körper praktisch nicht geändert – unser Analogon zu einem quasistatischen Prozess, der das thermische Gleichgewicht nicht stört.
Wenn bei diesem Hineinfallen keine Energie nach außen abgegeben wird (also \(\delta W = 0\)), dann wächst die Masse \(M\) des schwarzen Lochs einfach um den Betrag \(dm\) an und die Fläche des Ereignishorizontes wächst entsprechend um den Betrag \[ dA = \frac{\partial A}{\partial m} \, dm \] Das Hineinfallen der Masse dm entspricht einer Energiezufuhr von \[ dE = dm \, c^{2} \] für das schwarze Loch. Wenn wir außerdem annehmen, dass man eine Entropie \(S\) für das schwarze Loch definieren kann, die proportional zur Oberfläche \(A\) des Ereignishorizontes ist, also \[ S = \alpha A \] mit einem Proportionalitätsfaktor \( \alpha \), dann können wir die obige Formel \( dA = \frac{\partial A}{\partial m} \, dm \) umschreiben in \[ dS = \frac{\partial S}{\partial E} \, dE \] Der Term \( \frac{\partial S}{\partial E} \) (bei konstantem \(V\)) definiert in der Thermodynamik die inverse Temperatur, also \[ \frac{\partial S}{\partial E} =: \frac{1}{T} \] Diese Definition übernehmen wir einfach formal für das schwarze Loch, d.h. \[ \frac{1}{T} := \frac{\partial S}{\partial E} = \frac{\alpha}{c^{2}} \, \frac{\partial A}{\partial m} \] Letztlich ist dann der erste Hauptsatz oben für \( \delta W = 0 \) nichts anderes als diese Temperaturdefinition.
Wir ändern nun die Situation ein wenig, so dass auch Arbeit \( \delta W \) verrichtet wird.
Den Prozess mit maximaler Arbeit \(\delta W\) erreichen wir, wenn wir den kleinen Körper an einem sehr langen Faden langsam senkrecht bis hinunter zum Ereignishorizont abseilen und dann hineinfallen lassen. Die Zugkraft am Faden überträgt dann die Arbeit nach außen.
Das betrachtete Gesamtsystem besteht hier aus dem schwarzen Loch und dem vom Faden gehaltenen Körper. Die Fadenlänge entspricht unserem äußeren Kontrollparameter, analog zum Volumen bei einem Gasbehälter.
Man kann zeigen, dass sich beim langsamen Hinunterlassen aus dem Unendlichen bis zum Ereignishorizont die komplette Masse \(dm\) des kleinen Körpers in Energie umwandeln lässt, welche man über den Faden nach außen transferiert (siehe Ted Jacobson: Introductory Lectures on Black Hole Thermodynamics, Kapitel 1.5.1).
Beim endgültigen Fallenlassen am Ereignishorizont erhöht sich daher die Masse des schwarzen Loches nicht mehr, denn die komplette Masse \(dm\) hat sich ja in Energie umgewandelt und wurde abgeführt. Der Ereignishorizont \(dA\) und damit \(dS\) bleibt also unverändert. Hier haben wir das Analogon zu einem adiabatischen Prozess, bei dem das Gesamtsystem aus schwarzem Loch und kleinem Körper die Energie \(dE = dm \, c^{2}\) verliert und in Form von Arbeit \(\delta W\) nach außen abgibt.
Noch interessanter wird der erste Hauptsatz, wenn wir rotierende schwarze Löcher betrachten. Die Ergosphäre ermöglicht es hier nämlich, dem rotierenden schwarzen Loch über den sogenannten Penrose-Prozess einen Teil seiner Rotationsenergie zu entziehen.
Dazu schießt man einen kleinen Körper auf einer geeigneten Bahn in die Ergosphäre des schwarzen Lochs hinein, wo er gezwungen ist, mitzurotieren. In der Ergosphäre teilt sich der Körper in zwei kleinere Körper auf, die man so auseinanderschießen kann, dass einer der Körper negative Energie besitzt (gesehen von einem Beobachter weit weg vom schwarzen Loch – es bedeutet, dass der Körper ohne Energiezufuhr die Ergosphäre nicht verlassen kann). Der Körper mit negativer Energie verschwindet hinter dem äußeren Horizont auf Nimmerwiedersehen, während der andere Körper mit größerer Energie als der Startkörper zuvor die Ergosphäre wieder verlässt.
Der Drehimpuls des schwarzen Lochs verkleinert sich bei diesem Prozess, d.h. es wurde Rotationsenergie vom schwarzen Loch auf den hinausfliegenden Körper übertragen. Am effizientesten ist dieser Prozess, wenn die Aufteilung in zwei Körper direkt über dem äußeren Ereignishorizont geschieht und wenn der hineinfallende Teilkörper bei der Aufteilung so stark wie möglich gegen die Rotationsrichtung geschossen wird. Man kann zeigen, dass sich in diesem Fall die Oberfläche des äußeren Ereignishorizontes nicht ändert – der effizienteste Prozess ist also wie oben wieder derjenige mit \(dA = 0\) (entspricht \(dS=0\)). Weniger effiziente Penrose-Prozesse führen dagegen zu \(dA \gt 0\), d.h. die äußere Ereignishorizont-Oberfläche wächst. Details dazu siehe Sean M. Carroll: Lecture Notes on General Relativity, arXiv:gr-qc/9712019, Kapitel 7 sowie Ted Jacobson: Introductory Lectures on Black Hole Thermodynamics, Kapitel 1.5.3.
Natürlich ist auch der umgekehrte Prozess möglich: Man kann Teilchen so in ein schwarzes Loch hineinschießen und darin verschwinden lassen, dass sich dessen Drehimpuls vergrößert.
Wenn man die äußere Ereignishorizontfläche
\[
A = 4 \pi \, r_{s} \, r_{+}
\]
als Funktion von \(M\) und \(J\) ausdrückt und das Differential \(dA\) berechnet,
so kann man ganz allgemein eine
Beziehung zwischen der Änderung \(dA\) der Ereignishorizontfläche,
der Änderung \(dJ\) des Drehimpulses und der Änderung \(dM\)
der Masse eines ungeladenen schwarzen Lochs herleiten.
Diese Beziehung gilt die bei allen Prozessen, die ein klassisches rotierendes schwarzes Loch in der allgemeinen Relativitätstheorie betreffen, solange dabei nur kleine Änderungen auftreten und die Raumzeitmetrik des schwarzen Loches nur wenig gestört wird. Insbesondere gilt sie beim obigen Penrose-Prozess. Die Rechnung ist nicht schwer, aber wegen der Wurzel etwas länglich (siehe Sean M. Carroll: Lecture Notes on General Relativity, arXiv:gr-qc/9712019, Kapitel 7, S. 216, Gleichung (7.154) ). Das Ergebnis lautet
\[ c^{2} \, dM = c^{2} \, \frac{\kappa}{8 \pi G} \, dA + \Omega \, dJ \] |
(die Größen \( \Omega \) und \( \kappa \) erklären wir gleich;
die obige Formel wird meist ohne \(c^{2}\) angegeben, wenn man die Massen gleich in Energieeinheiten angibt).
Bei geladenen schwarzen Löchern kommt ein weiterer Term hinzu, den wir hier aber nicht betrachten wollen. In der obigen Formel ist (siehe Sean Sean M. Carroll: Lecture Notes on General Relativity, arXiv:gr-qc/9712019, Kapitel 7, S.212, Gleichung (7.134) ) \[ \Omega = \frac{a c}{r_{+}^{2} + a^{2}} = \frac{4 \pi a c}{A} = 4 \pi \, \frac{J}{M A} \] mit \( a = \frac{J}{M c} \) (siehe oben) die Winkelgeschwindigkeit des äußeren Horizontes (nicht zu verwechseln mit dem Winkelelement in der Metrik, das wir weiter oben bei der Schwarzschild-Metrik verwendet haben). Alle Objekte am äußeren Horizont werden gezwungen, sich mit genau dieser Winkelgeschwindigkeit zu bewegen (von einem äußeren Beobachter aus betrachtet). Wie es sein muss, ist bei Drehimpuls \(J = 0\) auch \(\Omega = 0\).
Es ist übrigens ganz interessant, die obige Formel einfach einmal so zu interpretieren, wie das bei einer klassischen nichtrelativistischen rotierenden Kugel der Fall wäre: Dann wäre nämlich \[ \frac{A}{4 \pi} =: r^{2} \] das Radiusquadrat der Kugel und die Formel (freigestellt nach \(J\)) ergibt \[ J = M \, A \, \frac{\Omega}{4 \pi} = M \, r^{2} \, \Omega \] Das ist genau der klassische Drehimpuls, wenn die Masse \(M\) sich am Äquator der Kugel befindet. Die Rotation des Horizontes entspricht also demselben Drehimpuls \(J\) wie bei einer klassischen Kugel mit Oberfläche \(A\), die sich mit der Winkelgeschwindigkeit des Horizontes \(\Omega\) dreht und bei der sich die Masse \(M\) des schwarzen Lochs am Äquator befindet.
Weiter ist \[ \kappa = c^{2} \, \frac{ \sqrt{r_{g}^{2} - a^{2}}} {2 \, r_{g} \, r_{+}} = \] \[ = c^{2} \, \left( r_{+} - r_{g} \right) \, \frac{4 \pi}{A} \] die Gravitationsbeschleunigung am äußeren Ereignishorizont (surface gravity), also die Schubkraft pro Masse, mit der ein kleiner Probekörper gegen die Gravitation ankämpfen muss, um nicht weiter nach unten abzusacken (wieder von einem äußeren Beobachter aus betrachtet, siehe Ted Jacobson: Introductory Lectures on Black Hole Thermodynamics, Kapitel 2.1.1 sowie Sean M. Carroll: Lecture Notes on General Relativity, arXiv:gr-qc/9712019, Kapitel 7, S. 216, Gleichung (7.155).
Bei einem extrem stark rotierenden schwarzen Loch, bei dem sich der Drehimpuls der kritischen Grenze nähert, wird \(r_{+}\) gleich \(r_{g}\) und die Gravitationsbeschleunigung am Horizont verschwindet, da sie gleichsam durch die Fliehkraft ausgeglichen wird – äußerer und innerer Horizont verschmelzen. Diesen Grenzfall hatten wir aber oben bereits als unphysikalisch ausgeschlossen.
Ohne Rotation (also \( a = 0 \) und \( r_{+} = 2 r_{g} = r_{s} \)) ergibt die obige Formel einfach \[ \kappa = c^{2} \, \frac{r_{g}}{2 \, r_{g} \, r_{s}} = \frac{G M}{r_{s}^{2}} \] Das ist (zufälligerweise) genau die klassische Newtonsche Gravitationsbeschleunigung am Schwarzschild-Radius. Damit haben wir zumindest eine Motivation dafür, die Größe \(\kappa\) als Gravitationsbeschleunigung am äußeren Ereignishorizont zu bezeichnen. Für eine genauere Begründung muss man aber tiefer einsteigen, was wir hier nicht machen wollen. Ein wichtiges und sehr allgemeines Ergebnis, das man dabei erhält und das die obige Formel wiederspiegelt, lautet:
Für festes \(M\) und \(J\) ist die Gravitationsbeschleunigung auf dem äußeren Ereignishorizont konstant.
Versuchen wir, die obige Formel \[ c^{2} \, dM = c^{2} \, \frac{\kappa}{8 \pi G} \, dA + \Omega \, dJ \] mit dem ersten Hauptsatz \[ dE = \delta Q + \delta W \] in Beziehung zu bringen. Dazu setzen wir wieder \[ S = \alpha A \] \[ E = M c^{2} \] Es ergibt sich \[ dE = c^{2} \, \frac{\kappa}{8 \pi G} \, \frac{dS}{\alpha} + \Omega \, dJ \] Offenbar müssen wir den letzten Term als Arbeit \( \delta W \) interpretieren – das passt zu unserem Penrose-Prozess, und man kann dort nachrechnen, das man genau diese Arbeit durch Änderung des Drehimpulses gewinnen kann (bei negativer Drehimpulsänderung \(dJ\)) bzw. in das schwarze Loch hineinsteckt (bei positivem \(dJ\)).
Am effizientesten ist dieser Prozess bei \(dA = 0\), wie wir oben bereits erwähnt hatten, wenn sich also die Fläche des Ereignishorizonts nicht ändert. Dann entspricht die abgezweigte Arbeit genau der Massenabnahme des schwarzen Lochs.
Das funktioniert allerdings nur, solange das schwarze Loch noch rotiert, denn die Winkelgeschwindigkeit am Horizont \( \Omega \) muss größer als Null sein, damit \(\delta W\) größer als Null sein kann. Vergleicht man den Arbeitsterm \[ \delta W = \Omega \, dJ \] mit dem Standardterm \[ \delta W = - p \, dV \] so sehen wir, dass die Winkelgeschwindigkeit \( \Omega \) dem negativen Druck \( - p \) formal entspricht. Auch in der klassischen Thermodynamik ist ein Druck erforderlich, um eine Arbeit durch eine Volumenänderung zu verrichten. Analog ist hier eine Winkelgeschwindigkeit (also Rotation) erfolderlich, um eine Arbeit durch eine Drehimpulsänderung zu verrichten.
Den anderen Term \[ c^{2} \, \frac{\kappa}{8 \pi G} \, \frac{dS}{\alpha} \] müssen wir offenbar mit dem Standardterm \( \delta Q = T \, dS \) gleichsetzen. Wir müssen also zumindest formal eine Temperatur
\[
T :=
c^{2} \, \frac{\kappa}{8 \pi G} \frac{1}{\alpha}
\]
|
definieren, um die Formel im Sinne des ersten Hauptsatzes zu interpretieren.
Das entspricht auch unserer Formel
\[
\frac{1}{T} := \frac{\alpha}{c^{2}} \, \frac{\partial A}{\partial M}
\]
von weiter oben, wie man nachrechnen kann (da \(M\) dabei um \(dm\) wächst,
ist \(dm = dM\)).
Der nullte Hauptsatz der Thermodynamik besagt nun, dass in einem System im Gleichgewicht die Temperatur überall gleich groß ist. Analog ist bei einem schwarzen Loch die Gravitationsbeschleunigung auf dem äußeren Ereignishorizont überall konstant. Der nullte Hauptsatz wäre also in diesem Sinn erfüllt.
Bisher ist allerdings alles noch eine rein formale Analogie zwischen der Theorie schwarzer Löcher im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie und der Thermodynamik makroskopischer Systeme. Wenn man \[ S = \alpha A \] tatsächlich als die Entropie eines schwarzen Loches und \[ T := c^{2} \, \frac{\kappa}{8 \pi G} \frac{1}{\alpha} \] als seine Temperatur interpretieren möchte, so müssen sich beide Größen voll in die übliche Thermodynamik einfügen. Insbesondere müssen Wechselwirkungen zwischen dem schwarzen Loch und seiner Umgebung möglich sein, wie sie in der Thermodynamik vorkommen.
Bei einer Form der Wechselwirkung haben wir bereits nachgeprüft, dass sie möglich ist: Der Energieaustausch über Arbeit \(\delta W\), beispielsweise im Penrose-Prozess.
Aber gibt es auch den rein thermischen Energieaustausch, bei dem die Arbeit \( \delta W = \Omega \, dJ \) gleich Null ist, aber die Wärmemenge \[ \delta Q = T \, dS = c^{2} \frac{\kappa}{8 \pi G} \, dA \] ungleich Null ist? Dabei sollte die Energie von dem System höherer Temperatur zum System geringerer Temperatur fließen, so dass sich ein Maximum der Gesamtentropie einstellt. Genau das ist ja die wichtigste Bedeutung der Temperatur.
Bisher allerdings sieht es so aus, als ob ein schwarzes Loch (bei \(dJ = 0\)) immer nur Energie schluckt, niemals aber Energie wieder freigibt. Seine Temperatur hätte dann nicht die gewohnte Bedeutung und die Analogie bliebe rein formal.
Genau diesen Standpunkt vertrat im Jahr 1972 der Physiker Stephen Hawking, der zwei Jahre zuvor (also im Jahr 1970) das Area Theorem hergeleitet hatte (siehe oben). Anders als Wheelers Doktorand Jacob Bekenstein, dem die Analogie zwischen Entropie und Horizontfläche aufgefallen war, glaubte Hawking zunächst nicht an einen tieferen Zusammenhang und hielt alles eher für eine formale Zufälligkeit.
Insbesondere bemängelte er, dass die Temperatur nicht die übliche Bedeutung haben könne, denn ein schwarzes Loch schluckt bei \(dJ = 0\) immer nur Energie. Würde man von einer realen Temperatur eines schwarzen Lochs ausgehen, so müsste es auch thermische Energie abstrahlen können, und zwar als Wärmestrahlung mit dem üblichen Planck-Energiespektrum. Ein schwarzes Loch tut so etwas im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie aber nicht – es ist eben absolut schwarz.
Hawking selbst machte sich daran, zu überprüfen,
ob schwarze Löcher wirklich schwarz sind. Dazu betrachtete er das Verhalten von
spontan entstehenden und wieder verschwindenden Teilchen-Antiteilchen-Paaren
am Ereignishorizont. Das Werkzeug, das man dazu neben der allgemeinen Relativitätstheorie
benötigt, gilt als recht zuverlässig:
Man benötigt Quantenfeldtheorie in einer gekrümmten Raumzeit.
Wichtig ist dabei, dass man keine Quanten-Gravitation braucht: Die Gravitation wird weiter im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie beschrieben. Man untersucht vielmehr, wie sich die bekannten Quantenfeldtheorien (also letztlich das sogenannte Standardmodell) verhalten, wenn man sie auf eine gekrümmte Raumzeit verallgemeinert.
Das Ergebnis seiner Berechnungen dürfte ihn zunächst überascht haben. Er fand im Jahr 1974 heraus, dass Bekenstein recht hatte, und er fand den tieferen Grund dafür: Ein spontan entstehendes virtuelles Teilchen-Antiteilchen-Paar muss sich nicht zwangsläufig wieder vernichten. Eines der Teilchen kann mit negativer Energie hinter den Horizont fallen und damit die Masse des schwarzen Lochs verkleinern, während das andere Teilchen mit positiver Energie entweichen kann. Dabei entstehen umso mehr Teilchen, je größer die Beschleunigung \(\kappa\) am Horizont ist, denn umso größer sind auch die Gezeitenkräfte, die die beiden Teilchen trennen und das Teilchen negativer Energie hinter den Horizont ziehen können.
Insgesamt entsteht so eine Strahlung, die vom Horizont ausgeht und die genau die Eigenschaften einer Wärmestrahlung der Temperatur \[ T := c^{2} \frac{\kappa}{8 \pi G} \, \frac{1}{\alpha} \] hat (wobei eine solche Wärmestrahlung nicht ausschließlich Photonen enthalten muss, sondern gemäß dem Boltzmann-Faktor alle Teilchen enthält, die bei der gegebenen Temperatur auftreten können, analog zum Plasma beim Urknall).
Dieses Resultat ist ein sehr starker Hinweis darauf, dass wir es nicht mit einer rein formalen Analogie zwischen Entropie und Horizontfläche zu tun haben, sondern dass wir hier auf einen tiefen Zusammenhang zwischen allgemeiner Relativitätstheorie, Quantentheorie und Thermodynamik gestoßen sind!
Es würde hier zu weit führen, Hawkings Rechnung nachzuvollziehen.
Eine grobe Skizzierung findet man beispielsweise in
Don N. Page:
Hawking Radiation and Black Hole Thermodynamics, arXiv:hep-th/0409024.
Wenn Sie sich für die Grundlagen von Quantenfeldtheorie in einer gekrümmten Raumzeit interessieren, dann ist Robert M. Wald: Quantum Field Theory in Curved Spacetime, arXiv:gr-qc/9509057 oder auch Bernard S. Kay: Quantum Field Theory in Curved Spacetime (2nd Edition), arXiv:2308.14517v2 vielleicht etwas für Sie.
Da lernt man manch interessante Dinge – so ist der Teilchenbegriff sowie das Vakuum nur in einer statischen Raumzeit unabhängig vom Beobachter definiert. In einer nicht-statischen gekrümmten Raumzeit nehmen verschiedene Beobachter auch verschiedene Teilchen war. Dazu gibt es auch ein Analogon in der beschleunigten Rakete (siehe Die Symmetrie der Naturgesetze, Kapitel 5.2):
Wenn ein unbeschleunigter Beobachter ein leeres Vakuum sieht, so sieht ein beschleunigter Beobachter eine Wärmestrahlung mit einer Temperatur, die proportional zur Beschleunigung ist. Man bezeichnet das als Unruh-Effekt. Wie beim schwarzen Loch kann man diese Wärmestrahlung auch als Effekt des Ereignishorizontes ansehen, den ein Beobachter in einer beschleunigten Rakete wahrnimmt. Hawkings Ergebnis zeigt sich hier in anderer Form wieder.
Offenbar sind wir hier auf ein grundlegendes Naturgesetz gestoßen: Wechselt man in einer gekrümmten Raumzeit das Bezugssystem (den Beobachter), so muss man in einer Quantenfeldtheorie in dieser Raumzeit den Hilbertraum wechseln. Zu einem frei fallenden Beobachter gehört ein thermisches Spektrum (eine Dichtematrix) mit Temperatur Null (also ein Vakuumzustand), zu einem beschleunigten Beobachter (der beispielsweise eine Gravitationskraft empfindet) gehört ein thermisches Spektrum mit einer Temperatur proportional zur Beschleunigung.
Die Vakuumfluktuationen werden gleichsam für den beschleunigten Beobachter sichtbar und enthalten thermische Energie. Dies ist eine der stärksten Verknüpfungen zwischen Quantentheorie und allgemeiner Relativitätstheorie, die man heute kennt. Aus Sicht einiger Physiker verliert der Teilchenbegriff durch solche Effekte sogar seine fundamentale Bedeutung in der Quantenfeldtheorie, so wie Begriffe wie Gleichzeitigkeit oder Gravitationskraft keine fundamentale Rolle in der allgemeinen Relativitätstheorie spielen. Je weiter man in die Geheimnisse der Natur eintaucht, umso mehr entfernt man sich offenbar von intuitiv zugänglichen Begriffen. Jetzt ist sogar das Teilchen in Gefahr, beerdigt zu werden.
Hawking konnte mit seiner Rechnung nicht nur den obigen Zusammenhang zwischen Entropie und Horizontfläche bzw. zwischen Temperatur und Gravitationsbeschleunigung am Horizont bestätigen, sondern er konnte sogar die Proportionalitätskonstante \( \alpha \) ausrechnen: Sie hat den Wert \[ \alpha = \frac{k}{4} \, \frac{1}{l_{p}^{2}} \] mit der Boltzmann-Konstante \(k\) und der Planck-Fläche \[ l_{p}^{2} = \frac{G \hbar}{c^{3} } \] Die Planck-Länge \(l_{p}\) beträgt etwa \( 1,6 \cdot 10^{- 35} \) Meter und ist damit etwa 20 Zehnerpotenzen kleiner als die Ausdehnung eines Protons und etwa 25 Zehnerpotenzen kleiner als die Ausdehnung eines Atoms. Man erwartet, dass unterhalb der Planck-Länge die allgemeine Relativitätstheorie an ihre Grenzen stößt und Quanteneffekte wichtig werden – die Details hängen aber stark von der betrachteten Theorie ab. Mehr dazu siehe Die Entdeckung des Unteilbaren, Kapitel 7.2: Quantengravitation.
Mit der obigen Formel für \( \alpha \) ist die Temperatur gleich \[ T = c^{2} \, \frac{\kappa}{8 \pi G} \, \frac{1}{\alpha} = \] \[ = c^{2} \, \frac{\kappa}{8 \pi G} \, \frac{4 l_{p}^{2}}{k} = \] \[ = c^{2} \, \frac{\kappa}{8 \pi G} \, \frac{4 G \hbar}{c^{3} k} = \] \[ = \frac{\kappa}{2 \pi} \, \frac{ \hbar}{c \, k} \] Insgesamt ergeben sich also die folgenden Formeln für die Entropie und Temperatur eines schwarzen Lochs:
Entropie und Temperatur eines schwarzen Lochs:
\[
S = \frac{k}{4} \, \frac{A}{l_{p}^{2}}
\]
d.h. die Entropie gibt an, wieviele Planck-Flächen \(l_{p}^{2}\)
auf die äußere Ereignishorizont-Fläche passen
(dividiert durch 4 und mit der Boltzmannkonstante \(k\) auf die üblichen Einheiten gebracht).
\[
T =
\frac{\kappa}{2 \pi} \, \frac{ \hbar}{c \, k}
\]
d.h. die Temperatur \(T\) ist gleich der Gravitationsbeschleunigung \(\kappa\)
am äußeren Ereignishorizont,
dividiert durch \(2 \pi\) und mit dem Faktor \( \frac{ \hbar}{c \, k} \) umgerechnet in
Grad Kelvin.
|
Das Auftreten von Wärmestrahlung bei einem schwarzen Loch führt dazu, dass dieses
nun auch rein thermisch mit seiner Umgebung wechselwirken kann.
Schwarze Löcher haben eine echte Temperatur!
Sie können sich mit der Zeit sogar auflösen und ihre Energie und Entropie nach
außen abstrahlen.
Das führt zu der folgenden Vermutung:
Verallgemeinerter zweiter Hauptsatz: Die thermodynamischen Gesetze behalten nur dann ihre Gültigkeit, wenn wir schwarzen Löchern eine Entropie und eine Temperatur nach den obigen Formeln zuordnen und sie als vollwertige thermodynamische Systeme betrachten, die mit anderen thermodynamischen Systemen wechselwirken können. Insbesondere ist die Entropie schwarzer Löcher als Teil der Gesamtentropie jedes Gesamtsystems zu berücksichtigen, das diese schwarzen Löcher umfasst. Diese Gesamtentropie kann mit der Zeit niemals abnehmen. |
Nur so kann man Verletzungen der thermodynamischen Gesetze vermeiden, wenn schwarze Löcher im Spiel sind.
Lässt man beispielsweise ein Stück Materie in einem schwarzen Loch verschwinden, so
dachte man früher, die zugehörige Entropie ginge dabei verloren.
Jetzt aber können wir hoffen, dass die verschluckte Masse die Entropie
des schwarzen Lochs genügend erhöht, um die verschluckte Entropie mindestens zu kompensieren
(siehe auch die Bemerkungen zur sogenannten Bekensteingrenze weiter unten).
Setzen wir für ein nichtrotierendes schwarzes Loch die Formeln für \(A\) und \(\kappa\) ein, so erhalten wir \[ S = \frac{k}{4} \, \frac{A}{l_{p}^{2}} = \] \[ = \frac{k}{4} \, 4 \pi \, \left( \frac{2 G M}{c^{2}} \right)^{2} \, \frac{c^{3}}{G \hbar} = \] \[ = 4 \pi \, k \, \frac{G M^{2}}{\hbar c} \] und analog \[ T = \frac{\kappa}{2 \pi} \, \frac{ \hbar}{c \, k} = \] \[ = \frac{\hbar c^3}{8 \pi G M k} \] Die Temperaturformel können wir (anstatt die Formel für \( \kappa \) einzusetzen) auch direkt aus der Definition der Entropie ableiten: \[ \frac{1}{T} = \frac{\partial S}{\partial E} = \frac{\partial S}{c^2 \, \partial M} = \] \[ = 4 \pi \, k \, \frac{G}{\hbar c^3} \, 2M = \] \[ = \frac{8 \pi k G M}{\hbar c^3} \] Wichtig ist an diesen Formeln, dass sie die Naturkonstanten aus der allgemeinen Relativitätstheorie, der Quantenmechanik und der Thermodynamik (nämlich \(G, c, \hbar, k\)) enthalten und somit diese drei Teilgebiete der Physik erstmals miteinander verknüpfen. Außerdem lesen wir an ihnen ab:
|
Für praktische Rechnungen kann man diese Formeln mit Hilfe der
Sonnenmasse
\[
M_{sol} = 2 \cdot 10^{30} \mathrm{kg}
\]
auf die folgende Form bringen:
\[
S = 1,05 \cdot 10^{77} \, k \, \left( \frac{M}{M_{sol}} \right)^{2}
\]
\[
T = 6,2 \cdot 10^{- 8} \, \mathrm{K} \, \frac{M_{sol}}{M}
\]
mit \(K\) für Kelvin und der Boltzmannkonstante \(k\).
Ein schwarzes Loch mit einer Sonnenmasse hat also eine Entropie von etwa \( 10^{77} \, k \) und eine Temperatur von weniger als einem Millionstel Kelvin.
Supermassive schwarze Löcher, wie sie in den Zentren der meisten Galaxien auftreten, sind noch kälter und Entropie-reicher. Um die Wärmestrahlung der kosmischen Hintergrundstrahlung von 2,7 Kelvin abzugeben, darf ein schwarzes Loch nicht mehr als etwa \(2 \cdot 10^{- 8}\) Sonnenmassen, also etwa eine Hunderdstel Erdmasse besitzen (die Erde hat eine Masse von etwa \(6 \cdot 10^{24}\) kg ).
Schwarze Löcher, wie sie beim Kollaps von massereichen Sternen entstehen, sind also deutlich kälter als das heutige Universum. Entsprechend zerstrahlen sie auch nicht durch Abgabe von Wärmestrahlung, sondern sie nehmen Energie aus der kosmischen Hintergrundstrahlung auf, denn diese hat eine höhere Temperatur.
Erst wenn das Universum durch weitere Ausdehnung so stark abgekühlt ist, dass seine Temperatur unter diejenige der schwarzen Löcher gesunken ist, werden schwarze Löcher letztlich sehr langsam zerstrahlen. Ein schwarzes Loch mit einer Sonnenmasse benötigt dazu etwa \(10^{66}\) Jahre, also weit mehr als das heutige Alter des Universums. Je kleiner seine Masse dabei wird, umso heißer wird es und umso mehr beschleunigt sich sein Zerstrahlen, bis es sich am Schluss gleichsam explosionsartig auflöst.
Auch bei schwarzen Löchern findet also über die Wärmestrahlung ein Energiefluss vom heißeren zum kälteren System statt. Allerdings gibt es einen deutlichen Unterschied zu den gewohnten thermodynamischen Systemen, bei denen die Entropiekurve \(S(E)\) konkav ist (bei denen also die Steigung \(\partial S/\partial E = 1/T\) mit wachsender Energie \(E\) abnimmt und die Temperatur entsprechend zunimmt – siehe Kapitel 7.1a ).
Bei nichtrotierenden schwarzen Löchern ist die Entropiekurve S(M) nicht konkav, sondern \(S\) nimmt quadratisch mit \(M\) zu, und T fällt entsprechend mit \(1/M\) ab. Der Gleichgewichtszustand von zwei schwarzen Löchern, die Energie über Wärmestrahlung austauschen, ist also nicht bei einer gleichmäßigen Aufteilung der Masse erreicht, sondern im Gegenteil frisst das schwerere schwarze Loch das leichtere langsam auf, wobei die Summe der beiden Ereignishorizontflächen anwächst.
Ähnlich instabil ist auch die Situation, bei dem sich ein schwarzes Loch in einem Wärmebad aus thermischer Strahlung befindet (also beispielsweise im leeren Weltraum mit kosmischer Hintergrundstrahlung). Ist die thermische Strahlung kälter als das schwarze Loch, so strahlt letzteres Wärmestrahlung ab, wird dabei immer heißer und zerstrahlt schließlich. Ist umgekehrt die thermische Strahlung wärmer als das schwarze Loch, so nimmt das Loch Wärmestrahlung auf und wird dabei immer kälter und schwerer. Ein schwarzes Loch in einem Wärmebad stabilisiert sich also nicht, anders als die gewohnten thermodynamischen Systeme.
Eine stabile Situation kann man erreichen, wenn man das schwarze Loch in ein endliches isoliertes Volumen einsperrt, dessen Wärmekapazität klein genug ist. Dann können das schwarze Loch und die Wärmestrahlung in dem Volumen tatsächlich ihre Temperatur einander angleichen. Ein Wärmebad hat dagegen nach Definition eine unendliche Wärmekapazität. Bei einem schwarzen Loch wird man daher mit Ensembles wie dem kanonischen Ensemble, das auf ein Wärmebad angewiesen ist, wohl wenig anfangen können. Als Ausweg bleibt ein theoretisch isoliertes schwarzes Loch und das zugehörige mikrokanonische Ensemble (zu den Ensembles siehe Kapitel 7.1a, Kapitel 7.1b und Kapitel 7.2).
Noch eine Anmerkung zum sogenannten dritten Hauptsatz der Thermodynamik:
Man findet ihn manchmal in der Formulierung, es sei unmöglich, die Temperatur Null mit endlich vielen Prozessschritten zu erreichen, und manchmal in der Formulierung, die Entropie gehe gegen Null, wenn die Temperatur gegen Null geht.
In der ersten Formulierung gilt der Satz vermutlich auch für schwarze Löcher. So müsste man entweder die Masse unendlich groß machen oder den Drehimpuls an die obere Grenze bringen, um die Gravitationsbeschleunigung am Horizont und damit die Temperatur auf Null zu bringen – beides geht nicht durch Hineinwerfen von endlich vielen Objekten bestimmter Masse. So ist beispielsweise die Drehimpulsänderung umso geringer, je näher sich der Drehimpuls an der oberen Grenze befindet.
Die zweite stärkere Formulierung macht eine Aussage über die Steigung der Entropiekurve \(S(E)\) nahe am Grundzustand und damit eine Aussage über die Dichte der Mikrozustände dort. Man betrachtet heute diesen Hauptsatz nicht mehr als fundamental, und tatsächlich kann er verletzt werden.
Bei schwarzen Löchern ohne Rotation wird er offenbar verletzt: Zwar geht bei verschwindender Masse auch die Ereignishorizont-Fläche und damit die Entropie eines nichtrotierenden schwarzen Lochs gegen Null, aber seine Temperatur geht gegen Unendlich. Das liegt an der nicht-konkaven Form der Entropiekurve \(S(M)\), die mit Steigung Null bei \(M = 0\) beginnt. Es gibt aber keinen Grund, warum das verboten sein sollte.
Bei rotierenden schwarzen Löchern kann man \(T = 0\) formal erreichen, wenn man den Drehimpuls \(J\) an seine obere Grenze fährt. Dann aber wird \( r_{+} = r_{-} = r_{g} \) und formal wird \( A = 8 \pi r_{g}^{2} \), d.h. die Entropie wird nicht Null. Andererseits verschmelzen äußerer und innerer Horizont miteinander und heben sich auf – es macht also gar keinen Sinn mehr, von der Horizontfläche \(A\) und einer zugeordneten Entropie zu sprechen. Vermutlich ist dieser Grenzfall physikalisch gar nicht sinnvoll und stellt somit keinen brauchbaren Grenzwert mit \(T\) gegen Null dar.
Es wird heute allgemein akzeptiert, dass ein schwarzes Loch die oben angegebene Entropie und Temperatur besitzt, auch wenn es extrem schwierig sein wird, das experimentell nachzuweisen.
Welche Folgerungen ergeben sich daraus? Kann man die Entropie eines schwarzen Lochs womöglich aus irgendwelchen Quanten-Mikrozuständen ableiten? Was lernen wir über das Wesen von Quantentheorie, Gravitation und Thermodynamik und das bisherige Niemandsland, das zwischen ihnen liegt?
Auffällig ist, dass die Entropie eines schwarzen Lochs nicht von dem Volumen innerhalb des äußeren Ereignishorizontes abhängt, sondern von dessen Oberfläche. Das sind wir aus der Thermodynamik ganz anders gewohnt. Dort ist die Entropie eine extensive Größe, d.h. die Entropie von zwei Litern Wasser ist doppelt so groß wie die von einem Liter Wasser (gleicher Temperatur). Die Freiheitsgrade (Teilchen) verteilen sich hier über das Volumen. Kann man daraus schließen, dass sich bei einem schwarzen Loch die mikroskopischen Quanten-Freiheitsgrade auf dem Ereignishorizont befinden?
Schauen wir uns dazu eine Frage an, die eng damit zusammenhängt:
Wieviel Entropie passt in ein Raumvolumen \(V\) hinein?
Genauer müsste man formulieren:
Wieviel Entropie passt in einen kugelförmigen Raumbereich hinein, dessen Oberfläche gleich \(A\) ist?
Bei schwarzen Löchern kann man so nämlich definieren, dass sie einen Raumbereich einnehmen, dessen Rand durch die Ereignishorizontfläche \(A\) gegeben ist. Der verallgemeinerte zweite Hauptsatz macht zusammen mit der Entropie schwarzer Löcher dazu eine interessante Aussage:
Schauen wir uns irgendein Objekt an, das ein kugelförmiges Volumen mit Oberfläche \(A\) einnimmt. Wir wollen dieses Objekt mit einem schwarzen Loch der Masse \(M\) vergleichen, das denselben Raumbereich einnimmt – der äußerer Ereignishorizont \(A\) bildet also den Rand des Raumbereiches. Mehr Materie als die Masse \(M\) des schwarzen Lochs passt dann nicht in diesen Raumbereich hinein, denn vergößert man \(M\), so vergrößert sich auch der Ereignishorizont und damit der eingenommene Raumbereich. Die Masse \(M'\) des Objektes muss demnach kleiner-gleich der Masse \(M\) des schwarzen Lochs sein – man kann zeigen, dass es sonst zu einem schwarzen Loch kollabieren würde (Hoop-Theorem), das dann mehr Raum benötigt.
Nehmen wir nun an, dass unser Objekt eine Entropie \(S'\) hat, die größer als die Entropie \(S\) des gleich großen schwarzen Lochs ist. Dann kann das Objekt natürlich kein schwarzes Loch sein, denn sonst müsste es ja dieselbe Entropie wie das schwarze Loch haben oder einen größeren Raumbereich ausfüllen.
Nun wollen wir die Entropie \(S'\) des Objektes weiter erhöhen. Da die Oberfläche \(A\) des Raumbereichs konstant bleiben soll, kann dies klassisch nur durch Zufuhr von Energie oder weiteren Teilchen geschehen (wir gehen davon aus, dass \(\partial S/\partial E = 1/T\) positiv ist).
Im Rahmen der Relativitätstheorie führt beides zu einer Zunahme der Masse \(M'\) unseres Objektes. Irgendwann wird dann die Masse \(M\) des schwarzen Lochs erreicht, und das einzige Objekt, das diese Masse \(M\) im Raumbereich mit Oberfläche \(A\) erreichen kann, ist unser schwarzes Loch. Unser Objekt muss also während der Massenzufuhr zu einem schwarzen Loch kollabieren.
Ein schwarzes Loch der Masse \(M\) hat aber eine Entropie \(S\), die laut Annahme kleiner als unsere Startentropie \(S'\) sein soll. Beim Zuführen von Masse muss also die Entropie \(S'\) unseres Objektes irgendwann gesunken sein, im Widerspruch zum verallgemeinerten zweiten Hauptsatz. Also muss die Entropie \(S'\) des Körpers am Anfang kleiner gewesen sein als die Entropie des gleich-großen schwarzen Lochs.
Die obige Argumentation müsste man natürlich noch präzisieren.
Man kann sie auch etwas abwandeln (Bekenstein, Susskind,
siehe Jacob D. Bekenstein: Das holografische Universum,
Spektrum der Wissenschaft 11/2003, S.34):
Wir starten wieder mit unserem kugelförmigen Objekt mit Masse \(M'\) und Entropie \(S'\), das einen Raumbereich mit Oberfläche \(A\) ausfüllt. Das Objekt soll selbst kein schwarzes Loch sein, d.h. seine Masse \(M'\) muss kleiner sein als die eines schwarzen Lochs mit Horizontfläche \(A\). Nun lassen wir unser Objekt zu einem schwarzen Loch kollabieren, beispielsweise indem wir den Kollaps durch ein sehr kleines schwarzes Loch einleiten, das wir in den Raumbereich hineinbringen. Das so entstehende schwarze Loch wird dann einen Ereignishorizont innerhalb des Raumbereichs haben, und seine Horizontfläche wird kleiner als die Oberfläche \(A\) des Raumbereichs sein. Seine Entropie muss entsprechend kleiner als die Entropie \(S\) des schwarzen Lochs mit Horizontfläche \(A\) sein – erst recht gilt das dann nach dem verallgemeinerten zweiten Hauptsatz für die Entropie \(S'\) unseres Anfangskörpers vor dem Kollaps.
Um ein Gefühl für die Größenordnungen zu bekommen, schauen wir uns als Beispiel eine klassische Kugel mit einem Radius von einem Meter an. Die Oberfläche dieser Kugel ist dann \[ A = 4 \pi \, \mathrm{m}^{2} = 12,6 \, \mathrm{m}^{2} \] (mit \( \mathrm{m} \) gleich Meter). Ihr Volumen ist dann \[ V = \frac{4}{3} \, \pi \, \mathrm{m}^{3} = 4,2 \, \mathrm{m}^{3} \] Die maximale Entropie dieser Kugel ist dass gleich der Entropie eines nichtrotierenden schwarzen Lochs mit einem Schwarzschildradius von einem Meter. Diese ist gleich \[ S = \frac{k}{4} \, \frac{A}{l_{p}^{2}} = \] \[ = \frac{k}{4} \cdot \frac{ 12,6 \, \mathrm{m}^{2} }{ (1,6 \cdot 10^{- 35} \mathrm{m})^{2} } = \] \[ = 1,2 \cdot 10^{70} \, k \] Zum Vergleich: In Kapitel 7.1a hatten wir gelernt, dass die Entropie bei typischen makroskopischen Körpern von der Größenordnung der Teilchenanzahl in dem Körper (mal \(k\)) ist, also für ein Mol bei etwa \( 10^{23} \, k \) liegt. Da fehlen also locker 40 Größenordnungen bis zur Entropie-Obergrenze!
In unseren Raumbereich passt also eine ungeheure Entropiemenge hinein.
Sie entspricht grob der Entropie von \(10^{70}\) Teilchen. Da sind wir schon bald bei der Zahl der Atome im sichtbaren Universums, die grob bei etwa \(10^{80}\) liegt.
Übrigens hätte unser schwarzes Loch mit einem Schwarzschildradius von einem Meter eine Masse von etwa 0,0003 Sonnenmassen oder etwa 100 Erdmassen, also etwa \( 6 \cdot 10^{26}\) kg. Das wären etwa \( 6 \cdot 10^{29} \) Mol Wasserstoffatome (die ein Gramm pro Mol wiegen), also grob etwa \( 10^{53} \) Teilchen mit einer Entropie in der Größenordnung von \(10^{53} \, k \). Da fehlen immer noch mehr als 10 Größenordnungen bis zur Bekensteingrenze! Das schwarze Loch hat also eine viel größere Entropie als die gleiche Menge Wasserstoff.
Halten wir als Fazit fest: Wenn unser Objekt eine Masse \(M'\) aufweist, die unter der Masse \(M\) eines schwarzen Lochs liegt, das denselben Raumbereich ausfüllt, dann muss es auch eine Entropie \(S'\) haben, die unter der Entropie \(S\) dieses schwarzen Lochs liegt.
Ein schwarzes Loch mit Horizontfläche \(A\) ist also der Materiezustand, der im Raumbereich innerhalb dieser Oberfläche \(A\) sowohl die maximal mögliche Masse als auch die maximal mögliche Entropie umfasst.
Die Entropie eines schwarzen Lochs mit Horizontfläche \(A\) bildet also eine Obergrenze für die Entropie, die sich in einem Raumbereich mit dieser Oberfläche \(A\) unterbringen lässt. Man bezeichnet diese Obergrenze als Bekenstein-Grenze. Da die Entropie zugleich ein Maß für die Information ist, die man durch Kenntnis des Mikrozustandes gewinnen könnte (siehe Kapitel 7.2 ), bildet die Bekenstein-Grenze zugleich eine Obergrenze für die Information, die man in einem Raumbereich mikroskopisch maximal unterbringen kann.
Es ist schon etwas merkwürdig, dass die Entropie-Obergrenze eines kugelförmigen Raumbereichs durch dessen Oberfläche gegeben ist und nicht durch sein Volumen. Wenn wir aber immer mehr Materie in diesem Raumbereich ansammeln, um immer mehr Entropie dort zu speichern, so kollabiert diese Materie irgendwann zu einem schwarzen Loch, und ab diesem Moment ist eine weitere Steigerung nur noch mit Vergrößerung des Raumbereichs möglich.
Was geschieh eigentlich, wenn wir immer mehr Materie konstanter Dichte zu einer immer größeren Kugel zusammensammeln und so versuchen, die Entropiemenge in dieser Kugel proportional zum Volumen zu erhöhen? Irgendwann müssten wir dann ja an die Obergrenze stoßen, denn diese Obergrenze wächst nur proportional zur Kugeloberfläche an.
Nun ja – zunächst wächst die Entropie der Kugel tatsächlich mit deren Volumen an. Irgendwann wird aber die Gravitation der Materiekugel so groß, dass sie zu einem schwarzen Loch kollabiert, und ab dann kann die Entropie nur noch proportional zur Kugeloberfläche weiter wachsen. Die Obergrenze wird also nicht überschritten.
Ein Beispiel:
Wenn wir eine immer größere Wasserkugel nehmen, so wächst die Masse \(M\) dieser Kugel proportional zum Radius \(r\) hoch drei \[ M \sim r^3 \] und der Schwarzschildradius eines schwarzen Lochs gleicher Masse wächst mit dieser Masse und damit ebenfalls mit dem Radius hoch drei: \[ r_s \sim M \sim r^3 \] Die Raumzeit außerhalb der Kugel ist durch die Schwarzschild-Metrik gegeben, wie bei dem schwarzen Loch.
Wegen \( r_s \sim r^3 \) wächst der Schwarzschildradius \(r_s\) schneller als der Wasserkugelradius \(r\). Irgendwann kommt also der Punkt, an dem der Schwarzschildradius größer als der Kugelradius wird, so dass die Kugeloberfläche hinter dem Ereignishorizont liegt. Spätestens dann muss die Kugel zu einem schwarzen Loch kollabieren, egal wie stark der Gegendruck des Wassers auch sein mag. Rechnen wir diesen Punkt aus: \[ r_{s} = 3000 \, \mathrm{m} \cdot \frac{M}{M_{sol}} = \] \[ = 3000 \, \mathrm{m} \cdot 1000 \, \frac{\mathrm{kg}}{\mathrm{m}^{3}} \cdot \frac{4}{3} \pi r^{3} \cdot \frac{1}{2 \cdot 10^{30} \mathrm{kg}} = \] \[ = 6,2 \cdot 10^{- 24} \, r^{3} \, \mathrm{m}^{- 2} \] Für \( r = r_{s} \) wird das zu \[ r^{2} = 0,16 \cdot 10^{24} \, \mathrm{m}^{2} \] und damit zu \[ r = 4 \cdot 10^{11} \, \mathrm{m} = 22 \, \mathrm{Lichtminuten} \] Das ist knapp der dreifache Abstand zwischen Erde und Sonne oder etwa der halbe Abstand zwischen dem Planeten Jupiter und der Sonne. Eine größere Wasserkugel kann es prinzipiell nicht geben!
Was bedeutet die Flächenabhängigkeit der
Entropie eines schwarzen Lochs für dessen
mögliche Freiheitsgrade und Mikrozustände?
Bedeutet diese Flächenabhängigkeit, dass sich bei einem schwarzen Loch die Freiheitsgrade
auf dem Ereignishorizont befinden?
Machen wir dazu ein kleines Modell: Wir teilen die Horizontoberfläche \(A\) in kleine Elementarflächen einer Größe \(A_{e}\) auf und gehen davon aus, dass jede Elementarfläche einen Freiheitsgrad darstellt, der \(n\) verschiedene Werte annehmen kann. Wenn man nur zwei Zustände zulässt (also \(n = 2\) ), dann kann jede Elementarfläche ein Bit an Information speichern. Das folgende Bild zeigt, wie man sich den Horizont dann vorstellen kann:
Kann dieses Modell die Flächenabhängigkeit der Entropie reproduzieren?
Die Entropie ist in der Thermodynamik (bis auf den Boltzmannfaktor \(k\)) gleich dem Logarithmus der Zahl der Mikrozustände, die der betrachtete Makrozustand umfasst (wir gehen hier vom mikrokanonischen Ensemble aus, betrachten ein schwarzes Loch also als isoliertes System, siehe oben).
Bei einem schwarzen Loch wäre der Makrozustand definiert durch seine Masse \(M\) (ggf. mit einer sehr kleinen Unschärfe \(\delta M\) ) und seinen Drehimpuls \(J\) (Ladungen lassen wir weg).
Die Mikrozustände ergeben sich dabei durch die möglichen Wertekombinationen aller Freiheitsgrade, die der Makrozustand zulässt. In unserem kleinen Modell ist ein Mikrozustand also durch Angabe aller Freiheitsgrad-Werte der einzelnen Elementarflächen eindeutig spezifiziert. Es gibt \[ \frac{A}{A_{e}} \] Elementarflächen auf dem Horizont und demnach \[ n^{ \frac{A}{A_{e}} } \] verschiedene Kombinationsmöglichkeiten dieser Freiheitsgrad-Werte, also entsprechend viele Mikrozustände. Die Entropie ist dann gleich \[ S = k \, \ln{ n^{ \frac{A}{A_{e}} } } = k \, \frac{A}{A_{e}} \, \ln {n} \] und damit proportional zur Horizontfläche \(A\).
Unser Modell kann die Flächenabhängigkeit der Entropie also reproduzieren.
Wenn wir diese Formel mit unserer Entropieformel \[ S = \frac{k}{4} \, \frac{A}{l_{p}^{2}} \] von oben vergleichen, so muss \[ \frac{1}{A_{e}} \, \ln {n} = \frac{1}{4 l_{p}^{2}} \] sein, oder umgestellt: \[ A_{e} = 4 \, l_{p}^{2} \, \ln {n} \] Die Modell-Elementarfläche ist also von der Größenordnung der Planck-Fläche \(l_{p}^{2}\). Jede Modell-Elementarfläche auf dem Ereignishorizont stellt dabei einen Quanten-Freiheitsgrad des schwarzen Lochs dar, der \(n\) verschiedene Werte annehmen kann.
Das obige Modell legt nahe, dass die Quanten-Freiheitsgrade eines schwarzen Lochs mit seiner Oberfläche zusammenhängen. Gibt es also keine Quanten-Freiheitsgrade in seinem Inneren?
Genaues dazu weiß man heute noch nicht. Es könnte sein, dass innere Freiheitsgrade einfach von außen nicht zugänglich sind. Oder aber sie werden von den Oberflächen-Freiheitsgraden dominiert. Oder aber sie entsprechen eins-zu-eins den Oberflächenfreiheitsgraden.
Diese dritte Möglichkeit bezeichnet man auch als Holografisches Prinzip (das u.a. von Gerardus 't Hooft und Leonard Susskind entwickelt wurde) . So wie ein Hologramm auf einem zweidimensionalen Photofilm Informationen über einen dreidimensionalen Gegenstand speichert, so könnte auch jedem inneren Freiheitsgrad ein gleichwertiger Freiheitsgrad auf der Oberfläche entsprechen.
Demnach gäbe es im Inneren des schwarzen Lochs keine unabhängigen Vorgänge, die sich nicht auf dem Ereignishorizont widerspiegeln. Jede Information wird auf der Fläche des Ereignishorizontes kodiert.
Tatsächlich kennt man mittlerweile Beispiele für Quantentheorien, bei denen eine höherdimensionale Theorie einer niedrigdimensionaleren Theorie zu entsprechen scheint – und zwar nicht nur bei einem schwarzen Loch (siehe den Abschnitt AdS/CFT-Korrespondenz in Wikipedia: Holografisches Prinzip sowie Jacob D. Bekenstein: Das holografische Universum, Spektrum der Wissenschaft 11/2003, S.34 und Juan Maldacena: Schwerkraft – eine Illusion, Spektrum der Wissenschaft 3/2006, S.36).
Womöglich kann man unser gesamtes Universum durch eine Theorie beschreiben, die nur zwei statt drei Raumdimensionen kennt, analog zu einem Hologramm?! Das Holografische Prinzip hat also durchaus gewisse Chancen, ein zentrales Prinzip oder zumindest ein weiterführender Gedanke einer Quanten-Gravitationstheorie zu sein. Allerdings bleibt abzuwarten, ob es sich wirklich bewährt – wir befinden uns hier an vorderster Front der aktuellen theoretischen Forschung.
Ebenfalls an dieser Forschungsfront liegt das sogenannte Informationsproblem schwarzer Löcher: Kann Information in einem schwarzen Loch verschwinden?
Entropie kann nicht verschwinden, wie wir oben gesehen haben. Stürzt ein Körper in ein schwarzes Loch, so wird dadurch keine Entropie vernichtet, sondern die Entropie des schwarzen Lochs wächst mindestens um den Entropiebetrag des Körpers an (meist sogar viel stärker).
Nun hängen Entropie und Information eng miteinander zusammen, so dass sich die Frage nach dem möglichen Verschwinden von Information in einem schwarzen Loch fast zwangsläufig stellt. Und offenbar ist sie nicht einfach zu beantworten: Stephen Hawking (siehe oben) und Kip Thorne (Professor am California Institute of Technology = Caltech und zugleich einer der Experten in allgemeiner Relativitätstheorie) waren lange Zeit der Meinung, dass ein schwarzes Loch tatsächlich Information vernichtet, im Gegensatz zu John Preskill (Direktor des Instituts für Quantum Information am Caltech). Im Jahr 1997 kam es daher zu der folgenden Wette zwischen diesen Physikern (siehe z.B. John Baez: This Week's Finds in Mathematical Physics (Week 207) sowie hier):
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John Preskill wettete also: Wenn ein reiner Quantenzustand zu einem schwarzen Loch kollabiert
und dieses schwarze Loch dann langsam unter Abstrahlung von Wärmestrahlung verdampft,
dann liegt am Schluss wieder ein reiner Quantenzustand vor, so dass keine Information
verloren ging. Hawking und Thorne wetten dagegen. Der Gewinner bekommt vom Verlierer
ein Lexikon seiner Wahl.
Auf den ersten Blick haben Hawking und Thorne natürlich Recht, denn die Hawking-Wärmestrahlung, die nach dem Verdampfen des schwarzen Lochs übrig bleibt, ist in der Thermodynamik ein statistisches Gemisch (eine diagonale Dichtematrix) und kein reiner Quantenzustand. Dieses Gemisch enthält weit weniger Informationen als der reine Quantenzustand zuvor (denn nur die Diagonalelemente der Dichtematrix bleiben i.a. übrig, siehe Kapitel 7.1b, Anhang 2).
Die Wärmestrahlung enthält nur eine Temperaturinformation, während ein reiner Quantenzustand sämtliche simultan messbaren Größen aller beteiligten Teilchen enthält. Andererseits ist Unitarität, also Informationserhaltung, eines der Grundprinzipien der Quantentheorie. Wie also kann man sich vorstellen, dass John Preskill Recht haben könnte?
Nun, es könnte beispielsweise sein, dass doch keine reine Wärmestrahlung übrig bleibt, sondern dass irgendwo feine Korrelationen in dieser Strahlung verborgen sind, die im Prinzip die komplette Information für einen reinen Zustand enthalten (entsprechend den Nicht-Diagonalelementen der Dichtematrix).
Im Jahr 2004 gestand Hawking in einem Vortrag während der 17ten International Conference on General Relativity and Gravitation in Dublin unter großem öffentlichen Interesse seine Niederlage ein und übergab ein Baseball-Lexikon an Preskill (siehe John Baez: This Week's Finds in Mathematical Physics (Week 207)).
Kip Thorne beteiligte sich allerdings zunächst nicht daran, denn er wollte Hawkings Ergebnisse erst noch prüfen. Und der Gewinner der Wette, John Preskill, war ein bischen traurig, dass sein hartnäckiger Diskussionspartner aufgegeben hatte. In John Preskill's comments about Stephen Hawking's concession schreibt er: If we are really on the same side now, our future discussions won't be as much fun. We'll find other things to disagree about, I suppose, but probably nothing else as deep and engrossing.
Die Details veröffentlichte Hawking etwa ein Jahr später (im Juli 2005) in seinen Artikel S. W. Hawking: Information Loss in Black Holes. Quantenkorrekturen am Horizont sollten es nach seinen Berechnungen möglich machen, dass Information ein schwarzes Loch auch wieder verlässt. Die Information ist also in der Hawking-Wärmestrahlung im Prinzip vorhanden, allerdings in einer praktisch unbrauchbaren Form. Hawking vergleicht sie mit der Asche und dem Rauch eines verbrannten Lexikons – kennt man den Weg jedes Teilchens darin, so kann man im Prinzip das Lexikon wieder rekonstruieren, was aber in der Realität wenig hilfreich sein dürfte.
Hawking macht in seiner Rechnung Gebrauch von der oben erwähnten AdS/CFT-Korrespondenz, also letztlich dem holografischen Prinzip, um ein schwarzes Loch durch eine andere Quantentheorie repräsentieren zu können. Bis heute ist allerdings unklar, wie zwingend Hawkings Argumente sind – die Sache bleibt kompliziert, und Hawking musste einige Vereinfachungen und Annahmen machen, um zu seinen Ergebnissen zu gelangen. Man bekommt hier einen sehr guten Eindruck davon, wie sich die Dinge ganz vorne an der Front der Forschung entwickeln.
Letztlich können all diese Fragen wohl nur durch eine Quantentheorie der Gravitation endgültig gelöst werden, denn nur eine solche Theorie kann Quanten-Mikrozustände eines schwarzen Lochs korrekt beschreiben. Eine solche Theorie muss den obigen Zusammenhang zwischen Entropie und Horizontfläche wiedergeben, denn man hat heute kaum noch Zweifel an der fundamentalen Gültigkeit dieser tiefgreifenden Beziehung.
Insofern hat die Betrachtung der Entropie schwarzer Löcher einen wichtigen Prüfstein für solche Theorien geliefert, an dem diese sich messen lassen müssen. Die beiden besten Kandidaten (Stringtheorie und Loop-Quantengravitation) scheinen hier erste Erfolge vorweisen zu können.
Bis heute ist die Entropie schwarzer Löcher die einzige Beziehung, die allgemeine Relativitätstheorie (also Gravitation) und Quantentheorie sowie Thermodynamik miteinander verknüpft, wie man am Auftreten der entsprechenden Naturkonstanten in den Formeln oben sieht. Ob daraus abgeleitete Ideen wie das Holographische Prinzip sich bewähren, wird man sehen. In jedem Fall stellt die Entropie schwarzer Löcher einen ganz wesentlichen Meilenstein auf dem Weg zu einer Quantentheorie der Gravitation dar. Vielleicht hilft sie sogar mit, eines Tages die berühmte Weltformel zu finden, also die umfassende Theorie aller physikalischen Phänomene.
Literatur:
© Jörg Resag, www.joerg-resag.de
last modified on 06 December 2023